EKD-Medienbeauftragter: „Film zeigt, wie fanatisch Christen von der DDR verfolgt wurden.“

Kurz nach dem Mauerbau wurden Jugendliche Opfer der staatlichen Paranoia

Die neue Dokumentation von RTL und EKD "Kurzer Prozess – Eine Seefahrt in den Stasi-Knast" (Sonntag, 6. November, um 22.55 Uhr) schlägt ein weiteres Kapitel zur Aufarbeitung der SED-Diktatur auf. Regisseur und Autor Andreas Kuno Richter begibt sich auf Spurensuche und schildert die fast unglaubliche Geschichte einer Seereise, die für eine Jugendgruppe im Stasi-Knast endet.

Der Teenager Jürgen Wiechert (18) soll für acht Jahre ins Zuchthaus. Aber er ist völlig unschuldig. Der Prozess gegen ihn und seine Freunde beginnt am 22. August 1961 im Rostocker Bezirksgericht. Keine vier Tage später schon das gnadenlose Urteil – im Namen des Volkes - wegen planmäßiger und staatsgefährdender Nötigung und Hetze. Jürgen und sein Freund, Dietrich Gerloff (25), werden als "Rädelsführer" weggesperrt. "Der ganze Prozess war eine Farce", sagt Gerloff heute. "Die SED-Diktatur hat kurz nach dem Mauerbau ein Exempel statuiert. Hier ging es eindeutig gegen die Junge Gemeinde der evangelischen Kirche in der DDR und gegen jeden, der frei bestimmt leben wollte."

Markus Bräuer, der Medienbeauftragte des Rates der EKD, meint dazu: „Der evangelischen Rundfunkarbeit war es wichtig, diesen Film gemeinsam mit RTL zu verantworten. Denn er zeigt, wie fanatisch die christlichen Gemeinden von der DDR verfolgt wurden. Jede noch so kleine und harmlose Bemerkung wurde gegen sie verwendet, so wie der Zettel, den diese Jugendlichen geschrieben haben.“

Fünfzig Jahre später. Im Sommer 2011 gehen fünf junge Mecklenburger auf Spurensuche. Sie erkunden, warum ihre Altersgefährten damals überhaupt in solch eine dramatische Situation gekommen sind, wie sie in die Fänge der Staatssicherheit gerieten.
Die neue RTL-Dokumentation wechselt diesmal auch die Perspektiven, stellt Fragen an die jugendlichen Spurensucher, erkundet deren Gedanken und Empfindungen zu den Geschichten und zur Geschichte der Zeitzeugen.

Die heutigen Jugendlichen erleben die dunklen Momente der Einzelhaft, die schönen Momente von Menschlichkeit inmitten eines unterdrückerischen Systems und den Mut von Menschen, denen das Schicksal der Inhaftierten nicht egal war. Sie erleben auch die Kraft, die einige der gefangenen Jugendlichen im Glauben fanden. Dazu Markus Bräuer: „In einer Szene baut sich einer der Gefangenen aus Stanniolpapier ein kleines Kreuz und bringt es unbemerkt in seiner Zelle an. Stärker kann der Trost kaum gezeigt werden, den der Glaube spenden kann, gerade auch in schwierigen politischen Zeiten.“

Jürgen Wiechert und Dietrich Gerloff sind bis heute traumatisiert von der brutalen Haft. Beide werden im Oktober 1963 nach zwei Jahren und zwei Monaten Haft völlig überraschend begnadigt - unter Mitwirkung von Martin Niemöller, damals Präsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau.  Wiechert und Gerloff gehören im Herbst 1963 zur ersten Gruppe von Häftlingen, die von der Bundesrepublik freigekauft werden.
Als am 22.8.1961 der kurze Prozess beginnt, wütet Walter Ulbricht vor dem SED-Politbüro und dem FDJ-Zentralrat: "Die Junge Gemeinde in Berlin gehört zu den ärgsten konterrevolutionären Kräften… Sie sterben für Gott und Adenauer und sind bereit, Verbrechen zu begehen."

"Kurzer Prozess – Eine Seefahrt in den Stasi-Knast" ist eine EIKON Nord Filmproduktion im Auftrag von RTL  in Zusammenarbeit mit der evangelischen Kirche in Deutschland. Buch & Regie: Andreas Kuno Richter.

Die Dokumentation wird bei n-tv am 08.11., um 00:40 Uhr, sowie am 09.11., um 16:10 Uhr, wiederholt.