Jenseits von Islamisierung und christlichem Abendland

Morgenandacht
Jenseits von Islamisierung und christlichem Abendland
24.03.2015 - 06:35
11.03.2015
Pfarrer Stephan Krebs

 

Der Montag ist ja in manchen Städten der Tag der Bekenntnisse geworden. Heute kommt meines: Ich möchte nicht, dass Europa islamisiert wird. Ich bin Christ und möchte es bleiben. Ich finde ja: als Christ lebt es sich am schönsten.

 

Dennoch möchte ich nicht zum christlichen Abendland zurückkehren, so wie es war, als dieser Begriff geprägt wurde. Damals zwangen autoritäre Herrscher ihren Untertanen ihren Glauben auf. Und sie entschieden nach Gutdünken, ob sie Andersgläubige duldeten, ausbeuteten oder töten ließen.

 

Das finde ich furchtbar, denn das nahm den Menschen damals die Freiheit. Man kann seinen Glauben nur dann aus innerer Überzeugung leben, wenn man sich dafür frei entschieden hat. Diese persönliche Freiheit ist gerade mir als evangelischem Christen besonders wichtig.

 

Umso mehr betrübt mich, dass es diese Freiheit heute in vielen Regionen der Welt nicht gibt. In manchen Ländern wird jede Religion verfolgt. In anderen nur eine Religion zugelassen. Das beklage ich sehr. Zugleich sehe ich, dass dies auch im christlich-abendländischen Europa lange so war.

 

Die Freiheit, die ich meine, gewährt ein anderes Gesellschaftssystem, und zwar jenes, das es heute in Deutschland gibt. Es gewährt allen Freiheit: den Christen, Muslimen, Leuten mit anderen Religionen und solchen, die gar keine haben wollen. Es ist ein pluralistischer Staat. Der macht keine religiösen Vorschriften, aber er sichert allen Gläubigen und auch den Nicht-Gläubigen ihre Freiheit. Dazu stellt der Staat Regeln auf. Die gelten für alle und alle müssen sich daran halten. Das schafft die Grundlage dafür, dass unsere Gesellschaft Platz hat für viele.

 

In diesem Sinne: Wenn heute Deutschland irgendetwas wirklich bedroht, dann ist es die Angst vor dieser Vielfalt. Manche halten sie nicht aus.

 

Das ist ja auch anspruchsvoll: Nie kann man sich seiner Sache ganz sicher sein. Denn immer ist zu sehen: Es gibt auch andere. Und die stellen das eigene in Frage. Vielfalt macht Druck und ist anstrengend. Und manchen eben auch Angst. Wie kann man damit umgehen?

 

Ein Weg wäre, die anderen loswerden zu wollen. Dann ist alles wieder einfach und einfältig. Aber davon träumen nur die, die sich selbst für schwach halten. Solche gibt es unter Christen, Muslimen, und Atheisten. Leider haben sie die Grundidee unseres offenen Gesellschaftssystems noch nicht verstanden. Oder sie wollen es nicht.

Diese Grundidee des pluralistischen Staates fordert von allen: Verbindet eure Religion mit der Demokratie. Achtet die Grundwerte der Demokratie, sie haben Vorrang vor religiösen Bräuchen. Ich kenne viele Muslime, die das gut hinbekommen. Mehr noch: Viele leben gerade deshalb gerne hier, weil das hier so ist. Aber es gibt auch die Muslime, die sich damit schwer tun. Allerdings: Auch dem Christentum ist diese Einsicht nicht in die Wiege gelegt. Sie musste über Jahrhunderte erst mühsam gelernt werden. Und mancher Christ hat das bis heute nicht geschafft.

 

Ich möchte meine christliche Überzeugung nicht durchsetzen, indem ich andere verdränge. Ich möchte sie für andere überzeugend leben. Das – bitte schön – können und sollen alle anderen auch tun. Dann kämpfen nicht Schwache gegeneinander, sondern Starke wetteifern miteinander. Wer sich darauf einlassen kann, kann selbstbewusst die anderen anders sein lassen.

 

Groß wirkt das Fremde nur, wenn man selbst kein ist. In diesem Sinne möchte ich als Christ groß sein. Das gelingt natürlich nur, wenn ich davon auch wirklich überzeugt bin.

 

Erstens davon, wie schön es ist in Gott jemanden an meiner Seite zu wissen. Wer sonst könnte immer zu mir halten – in Freud und Leid?! Zweitens, wie gut es tut, von Jesus Christus das Verzeihen zu lernen. Wie sonst sollte all die Gewalt jemals überwunden werden als durch Gottes Erbarmen?! Und drittens, wieviel Kraft mir der Heilige Geist gibt. Woher sollte ich sonst die Hoffnung nehmen, dass Gott die Welt zum Besseren wenden wird?! Damit kann ich gut Christ sein und inmitten von anderen, die andere Überzeugungen haben.

11.03.2015
Pfarrer Stephan Krebs