Gottes Rosenmontag

Wort zum Tage
Gottes Rosenmontag
16.02.2015 - 06:23
05.01.2015
Ulrike Greim

Nichts wird bleiben, wie es ist – am himmlischen Rosenmontag.

 

Der Soldat hat eine rosa Federboa um den Hals. Aus seinem Maschinengewehr sprießt ein bunter Blumenstrauß. Jedes Mal, wenn er auf den Abzug drückt. Eine Horde süßer, kleiner Mädchen steht um ihn herum und lacht laut, immer und immer wieder, wenn der Strauß aus dem Gewehrlauf schießt. Die schwarze Maske hat er nach oben geschoben. Man sieht seine tiefbraunen Augen, die Narbe an der Wange und sein unwiderstehliches Lächeln. Er lacht mit den Mädchen mit.

 

Das ist so - am himmlischen Rosenmontag.

 

Da springen die Kerker auf, die Entführten rennen lachend heraus. Ihnen ist nichts passiert. Alle sind unversehrt. Dann kommen die Intellektuellen zurück und lesen aus ihren Büchern vor. Die sind ganz schön verrückt, aber großartig. Die einstigen Terror-Novizen erhalten das als Pflichtunterricht. Sie lesen das parallel zu den heiligen Schriften, um beides besser zu verstehen. Sie wagen eigene Übersetzungen. Die sind brilliant.

 

Imam und Rabbinerin, Pfarrerin und Priester treffen sich erst zum Tanz und sitzen dann zusammen im Elferrat am Tisch. Der zwölfte, Judas, kommt fröhlich mit dazu. Er wäscht sich die Hände und darf mit Platz nehmen.

 

So ist das – am himmlischen Rosenmontag.

 

Da können alle befreit lachen. Da hat die Polizei nichts weiter zu tun, als mitzumachen. Weil hier jeder auf jeden aufpasst. Jede auf jede. Keine bleibt draußen, wenn Karneval ist. Alle sind gerne dabei – wirklich alle. Beim himmlischen Rosenmontag.

 

Natürlich kommt Obama. Und er tanzt mit Frau Müller, bis sie nicht mehr kann. Und Putin sitzt am Biertisch nebenan und bringt dem Fünftklässler aus der Hauptschule ein paar Sätze auf Russisch bei. Der ihm dafür ein paar auf Türkisch. Die Bodyguards haben Feierabend, denn hier tut niemand jemandem etwas zuleide. Sie haben die Knöpfe aus den Ohren genommen und sogar ihre Handys abgeschaltet. Feiern geht analog.

 

Bis spät in die Nacht. Und immer so weiter. Und ewig. Musik spielt und spielt, am Ende tanzen alle.

 

So will es der Himmel. So lesen wir es in der Bibel. Dass nichts bleiben wird wie es ist – am Ende der Zeit. Dass Gott die Dinge einst vom Kopf auf die Füße stellen wird. Und uns gleich mit.

 

Da werden die Wölfe bei den Lämmern weiden und den Lämmern wird nichts passieren. Da spielt der Säugling am Loch der Otter und die Otter wird nicht beißen. So wird das sein. Eines Tages. Am himmlischen Rosenmontag. Da sitzen die Mächtigen bei den Machtlosen auf der Bank und sie werden alle satt. Es wird Frieden sein.

05.01.2015
Ulrike Greim