Führungsqualität

Gedanken zur Woche

Gemeinfrei via unsplash/ Markus Spiske

Führungsqualität
30.04.2021 - 06:35
29.04.2021
Peter Oldenbruch
Über die Sendung

Die Gedanken zur Woche im DLF.

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Sendung zum Nachlesen:

Nun ist es die Woche danach: nach der Entscheidung über Kanzlerkandidat oder -kandidatin. Wie es zu den Entscheidungen kam, daran gab´s massive Kritik. Ich empfand das Gerangel der beiden raufenden Jungs durchaus unterhaltsam und das elegante Schweigen des anderen Pärchens auch.

Beides überdeckte für gefühlte zwei Wochen dieses eine Thema, von dem kaum noch jemand etwas hören möchte, das aber auch dann nicht verschwindet, wenn man nicht drüber redet.

Eines erstaunt mich allerdings erst im Nachhinein, erst beim Nach-Denken. In der Zeit des Gerangels ging es ausschließlich um Personen, nicht um Sachfragen. Nicht darum, was die Kandidierenden jeweils anders machen, welche Schwerpunkte sie setzen würden; es ging ausschließlich um ihre Person.

Dabei wählen wir im Herbst keine Kanzlerin, keinen Kanzler, sondern ein Parlament. Und das bestimmt den Menschen an der Spitze. Aber gut, ich bleibe bei den Personen. Welche Qualitäten sollen Führungspersönlichkeiten denn haben? Im Alten Testament heißen Führungspersönlichkeiten ganz altmodisch: „Hirten Israels“. Den Titel tragen heute nur noch wir Pastorinnen und Pastoren. Diese Hirten Israels - so fordert es der Prophet Ezechiel - sollen nun nicht sich selbst, sondern die Herde weiden. Das Schwache sollen sie stärken, das Kranke heilen und das Verwundete verbinden. Und natürlich: die Grundaufgabe von Hirten ist es, das Verlorene und Verirrte zu suchen und zurückzuholen. Mit solchem Handeln lägen die Führungspersönlichkeiten, die Hirten Israels, auf der Linie Gottes.

Denn der will genau das: das Verlorene suchen und zurückbringen, Verwundete verbinden und Schwache stärken, aber auch, was fett und stark ist, behüten.

Auch die Starken werden behütet. Sie werden gebraucht, die Leistungsstarken, die Begabten, die Klugen und die Fitten. Mit ihrer Führungsstärke bringen sie Betriebe voran, beflügeln Politik und Wissenschaft, machen Erfindungen oder leiten eine Schule.

Diese Leistungs-Elite wird gebraucht – aus biblischer Sicht: um die Schwachen zu stärken. Stärke ist nichts Negatives, Macht auch nicht. Es ist wie mit dem Beton: Kommt drauf an, was man daraus macht! „Ich, ich, ich“ - ist eine Möglichkeit. Die andere: mit der eigenen Stärke Schwächere stärken, mit der eignen Macht andere ermächtigen, mit den eignen Begabungen und Talenten etwas tun fürs Wir, fürs Miteinander. Das wären Qualitäten von Führungspersönlichkeiten aus biblischer Sicht. Einfach ist das nicht: Verlorene suchen, sehen und zurückbringen. Die Loser, die ins Schleudern gerieten mit ihrem Leben, die die Welt als abschüssig erlebten, eisglatt und eiskalt, und auf die berühmte schiefe Bahn geraten sind. Und selbstverständlich war es nicht allein die abschüssige und eisglatte Welt!

Auf die schiefe Bahn gerieten Verlorene auch aus eigener Schuld, auch wenn gerade sie gern Gott und die Welt dafür verantwortlich machen. Einfach ist das nicht: die Loser wahrnehmen und ihnen einen Weg zurück zu weisen. Es ist auch nicht einfach: die Leistungsschwachen stärken, die körperlich und die Geistesschwachen. Wer Verlorene suchen und zurückbringen, Verwundete verbinden und Schwache stärken will, braucht soziale Kompetenzen wie emotionale Intelligenz, Einfühlungsvermögen oder Teamfähigkeit.

Ob Menschen mit diesen biblischen Führungsqualitäten vom Volk gewählt würden?

Der berühmteste König Israels, König David, hätte den Anforderungen Ezechiels wohl nicht genügt. Er war ein Ego-Player. Der Davidsohn Jesus stellt sich ganz bewusst in die Tradition der guten Hirten,          die dieses eine verlorene Schaf suchen, auch wenn die 99 anderen warten müssen.

Seit fast 2000 Jahren, bereits in den römischen Katakomben, wird Christus als ein Hirte dargestellt, der so ein verlorenes Schaf auf den Schultern trägt. Und noch in meiner Kindheit hingen solche Hirtenbilder über manchen Ehebetten.

 

Über welche Qualitäten sollen Menschen in Spitzenpositionen verfügen? Anders als in den meisten Betrieben dürfen wir das in der Politik mitentscheiden, in der evangelischen Kirche auch.

Dann sollten wir das auch tun.

 

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Es gilt das gesprochene Wort.

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29.04.2021
Peter Oldenbruch