Liebt eure Feinde!

Gedanken zur Woche

© epd-bild/Heike Lyding

Liebt eure Feinde!
Gedanken zur Woche mit Pfarrer Jörg Machel
15.11.2019 - 06:35
18.07.2019
Jörg Machel
Über die Sendung

Einfach ist der Weg zum Frieden nicht. Christliche Friedensethik ist komplex – lange hat die Synode der Evangelischen Kirche darüber diskutiert. Dabei ist Jesu Auftrag in der Bergpredigt klar: Liebt eure Feinde! Die Gedanken zur Woche von Pfarrer Jörg Machel.

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„Liebt eure Feinde; tut wohl denen, die euch hassen; segnet, die euch verfluchen; bittet für die, die euch beleidigen. Und wer dich auf die eine Backe schlägt, dem biete auch die andere dar.“ (Lk 6,27-38) Das war der Text, über den meine Pfarrerin letzten Sonntag predigte. 

Die aktuellen Nachrichten dieser Tage gingen in eine andere Richtung. Ursula von der Leyen fordert: „Europa muss auch die Sprache der Macht lernen!“ (1) Und Annegret Kramp-Karrenbauer will die Bundeswehr stärker im Ausland einsetzen als bisher (2). Die wieder öffentliche Vereidigung der Rekruten soll als Signal verstanden werden. 

Ich überlege, wie das Jesuswort aus der Bergpredigt auf Politikerinnen und Politiker wirkt, die sich als Christen auf den Mann berufen, der doch auf Gewaltlosigkeit setzt. Provoziert Jesu Aufruf zur Feindesliebe ein vertieftes Nachdenken? Oder versandet die Forderung im Nirgendwo der Utopie?

Immerhin lässt sich aus der Bergpredigt Jesu ein christlich begründeter Pazifismus ableiten. Einige Freikirchen folgen dieser strikten Auslegung. Die Kirchen in der DDR hielten wenigstens Distanz zum Militär, anders als die Kirchen in der alten Bundesrepublik oder im wiedervereinigten Deutschland.

Aber ich weiß natürlich auch, dass Bibelworte nicht einfach eins zu eins in die Gegenwart zu übertragen sind. So wie ich nicht der Meinung bin, dass die Ehe unauflöslich ist, obwohl das in der Bibel steht, so hinterfrage ich auch die Friedensbotschaft der Bergpredigt auf ihre Umsetzbarkeit.

Was mutet mir Jesus zu, mit der Forderung, meine Feinde zu lieben oder zu segnen, die mich verfluchen? Ich überlege, was passiert, wenn ich dem Schläger in der U-Bahn mit dem Rezept Jesu begegne. Einfach wird das nicht – so viel ist klar. Vom Drohen und Zurückschlagen verspreche ich mir allerdings auch nicht viel.

Genauso wenig kann ich im Einsatz militärischer Stärke eine nachhaltige Friedenspolitik erkennen. Selbst wenn man auf den Kampf gegen den Faschismus schaut, zeigt auch die Kriegsführung der Siegermächte eine so grausige Bilanz, dass ich darin kein Vorbild für künftiges Handeln erkennen kann. 

Das Bombardement der Zivilbevölkerung Dresdens, die Zerstörung von Hiroshima und Nagasaki sind für mich nicht zu rechtfertigen. Vietnam, Afghanistan, Irak, Syrien, Libyen sind Stationen des Scheiterns. Heimgekehrte traumatisierte Soldaten zweifeln an ihrer Mission.

Zum Glück gibt es mittlerweile Strategien in der Außen- und Sicherheitspolitik, die andere Wege beschreiten. Die wachsende Bedeutung von Krisenprävention und Friedensmediation weist in eine hoffnungsvolle Richtung.

Die Synode der Evangelischen Kirche hat diese Woche in Dresden über Friedensethik diskutiert. Es gehe darum, militärische Gewalt und kriegerische Mittel Schritt für Schritt zu überwinden. Es wurde der Vorrang des Zivilen und der Gewaltfreiheit gefordert. Wer wollte dem widersprechen. Ein entschiedenes „Nein“ zu den Einsatzplänen der Verteidigungsministerin höre ich da nicht heraus. Über den Ausstieg aus der Militärseelsorge wird nicht einmal mehr diskutiert.

Niemand muss der Bergpredigt unkritisch folgen. Aber als Christ stehe ich in der Pflicht, mich an ihr abzuarbeiten. Ja, es ist eine Zumutung, in jemandem, der mir als Feind begegnet, einen Menschen zu sehen, in dem ich mich wiedererkenne. 

Schwieriger noch, das Liebesgebot umzusetzen, wenn es um abstrakte Konflikte zwischen Gruppen und Völkern geht. Wenn du den Frieden willst, so die Synode, dann bereite den Frieden vor. Ihre Forderung ist immerhin ein Anfang: Mehr Haushaltsmittel für Friedenssicherung durch Prävention und zivile Konfliktbearbeitung als für das Militär (3).

Die Zumutung Jesu bleibt bestehen: „Liebt eure Feinde; tut wohl denen, die euch hassen…“

 

Diskutieren Sie mit über die Friedenspolitik der Kirchen, auf Facebook unter: „Evangelisch im Deutschlandradio“.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

Quellen:

  1. https://www.tagesschau.de/ausland/von-der-leyen-rede-101.html
  2. https://www.sueddeutsche.de/politik/bundeswehr-kramp-karrenbauer-auslandseinsaetze-1.4670696
  3. https://www.ekd.de/kundgebung-ekd-synode-frieden-2019-51648.htm

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18.07.2019
Jörg Machel