Love Always Wins

Gedanken zur Woche
Love Always Wins
17.06.2016 - 06:35
27.12.2015
Pfarrerin Angelika Obert

Auf schwarzen Pflastersteinen liegt ein Blatt in Regenbogenfarben. Darauf steht ein kühnes Bekenntnis: „Love always wins“ – die Liebe gewinnt immer. Und: „Stand by Orlando“. Es ist dieses Blatt, das mir in dieser Woche nachgeht. Diese Antwort auf die grauenvolle Vernichtungstat eines von Hass getriebenen Mannes: „Love always wins“. Das ist das Motto der Schwulen und Lesben, die für ihre sexuelle Orientierung eintreten. Die Liebe wird gewinnen – das ist auch das Bekenntnis aller Christen, die Ja sagen zum Leben und Nein zu Verwerfung und Verfeindung.

 

Die Liebe – das ist ein großes Wort und ein weites Feld. Allgemeine Liebesappelle mag ich eigentlich gar nicht. Aber das Bekenntnis zur Liebe auf dem Straßenpflaster von Orlando rührt mich an, zumal ich die Worte der jungen Frau im Ohr habe, die es am Tag nach dem Massaker in Orlando noch deutlicher sagte: „Wir müssen der Welt nun zeigen, dass wir es schaffen, dass die Liebe den Hass besiegt.“ Hautnah hatte sie miterlebt, was der Hass eines einzelnen Menschen anrichtet – und eben darum wollte sie das sagen: Wir müssen das schaffen, dass der Hass, diese Todesmacht, sich nicht ausbreitet. Wir müssen dagegen setzen unser Ja zu Leben, unsere Achtung vor dem Andern, unsere Freundlichkeit – das alles ist mit dem Wort „Liebe“ ja gewiss gemeint.

 

Dass der Hass nicht siegt – jeder vernünftige Mensch wird sich das wünschen. Und trotzdem ist es ja spürbar, dass der Hass zunimmt und sich ausbreitet, dass überall auf der Welt neue Feindseligkeit sich lautstark bemerkbar macht. Nicht mal das Fußballfest in Frankreich, das doch für heitere Stimmung sorgen soll, für Feierlaune und Völkerfreundschaft, ist frei davon. Es wird von brutalen Schlägereien begleitet. Von Polizistenmorden, von gewalttätigen Demonstrationen.

 

Wer in Deutschland auf seinem Fernsehsofa sitzt, kann allerdings den Eindruck haben: Es sind immer die Andern, die den Hass säen. Die Islamisten begehen die Anschläge. Die russischen Hooligans prügeln gezielt. Überhaupt die Russen, die werden doch immer gefährlicher. Aber auch die Türken. Und die Amerikaner. Und die Israelis und... und... und. Wenn man erst einmal anfängt, darüber nachzudenken, wer alles in unsern Nachrichten vorkommt mit gefährlichen Einstellungen und bedrohlichen Entscheidungen – dann sind es erstaunlich viele Andere und wir jedenfalls nicht. Sind wir nicht ohnehin die Guten, die viel zu guten Gutmenschen, von Bedrohungen umzingelt?

 

Die Angst, die Selbstgerechtigkeit, das Opfergefühl – diese Haltungen sind in Deutschland allerdings verbreitet. Es sind die Schlupflöcher, durch die der Hass auch hierzulande Einzug hält. Der ja damit beginnt, dass man die Welt voller Feinde sieht, die man fürchten, verachten und schließlich auch bekämpfen muss. Auch unter uns gibt es ziemlich viele Menschen, die offenbar mit Genuss böse sind – unzählige Hassmails und Hasskommentare im Internet zeugen davon. Aber auch der 21jährige, der in dieser Woche mal eben auf zwei Flüchtlingskinder im Garten gegenüber geschossen hat (1) – Gottseidank hatte der kein Sturmgewehr. Es sind nicht Wenige, die offenbar meinen: So ein bisschen Hass – im Internet oder mit dem Luftdruckgewehr – das ist doch nicht so schlimm.

 

Und deswegen blicke ich ein wenig ungläubig auf das Blatt in den Regenbogenfarben in Orlando: Love always wins... Höre ich zweifelnd die Stimme der jungen Frau, die sagt: „...dass wir es schaffen werden, dass die Liebe den Hass besiegt“. Es ist nicht ausgemacht, dass wir es schaffen, so lange Menschen meinen, ein bisschen Hass könnten sie sich schon leisten. Damit wir es schaffen braucht es Viele, die ganz genau wissen: Hass können wir uns in dieser gefährdeten Welt schon gar nicht leisten. Wir müssen dagegen setzen unsere Freundlichkeit, unsere Achtung vor dem Andern, unser Ja zum Leben.

 

Glauben Sie, dass wir das schaffen? Darüber können Sie jetzt mit mir sprechen. Bis 8 Uhr unter der Berliner Nummer 030/32 53 21 344 – ich wiederhole 030 für Berlin und dann 32 53 21 344. Oder diskutieren Sie mit auf Facebook unter deutschlandradio.evangelisch.

 

 

 

(1) http://www.tagesspiegel.de/politik/lingen-luftgewehr-schuesse-auf-fluechtlinge-ermittlungen-gegen-21-jaehrigen/13729360.html

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27.12.2015
Pfarrerin Angelika Obert