Bhagwan (Osho)

Morgenandacht
Bhagwan (Osho)
22.10.2016 - 06:35
22.10.2016
Pfarrer Jörg Machel

Für die meisten Menschen hier in Deutschland war Bhagwan ein Scharlatan, für einige war er ihr Guru, für mich war er ein Schelm, der sich mit den menschlichen Stärken und vor allem mit ihren Schwächen auskannte.

 

Ich fand ihn witzig, seine Reden waren provokativ und oft amüsant. Wie er seine Jünger dazu bringen konnte, ihm einen Rolls Royce nach dem anderen in den Fuhrpark zu stellen, bleibt mir ein Rätsel. Von seinen Anhängern wurde er wie ein Religionsstifter gefeiert und war doch eher ein indischer Till Eulenspiegel. Seine Selbstaussagen sind widersprüchlich, sein Benehmen war oft unverschämt.

 

Am besten zu erkennen gab er sich vielleicht, wenn er über andere sprach. Zum Beispiel über Jesus. Zwei Bücher mit seinen Jesusinterpretationen sind erschienen, und ich habe sie mit einiger Freude gelesen.

 

Bhagwan hat einen frischen Blick auf Jesus. Für dessen Jünger, die früheren und die heutigen, hatte er wenig übrig, aber dem Meister selbst begegnete er mit Respekt. Er sah sich mit ihm auf Augenhöhe. Wenn er über die Dummheit der Jesusjünger redete, konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass es sich dabei immer auch um eine Beschimpfung seiner eigenen Zuhörer handelte. Die waren meist klug genug, um das zu merken, bezogen das dann aber auf die Sitznachbarn, nicht auf sich selbst.

 

Wie Bhagwan Jesus interpretierte ist durchaus anregend, er sah einen großen Menschenkenner in ihm. Deshalb hatte er auch einen Blick für Jesus den Schmerzensmann. Jesus litt an den Menschen, denen er helfen wollte und die ihn nicht verstanden. Den Christen warf Bhagwan vor, ihren Meister noch immer nicht verstanden zu haben. Sie hätten ihn mit einem frommen Zuckerguss überzogen und alle Lebendigkeit genommen. Bhagwan sprach über den unverschämten Jesus, der sich mit den Mächtigen anlegt, und so meinte Bhagwan wohl auch über sich selbst zu reden, wenn er über Jesus sprach.

 

Ob er Jesus damit wirklich erfasste, bezweifle ich allerdings. Jesus war demütig, anders als der selbstverliebte Inder. Er sah sich als Werkzeug Gottes, er litt nicht nur unter den Menschen, er litt auch mit ihnen, und er litt vor allem für sie. Und doch scheint Bhagwan begriffen zu haben, welche Kraft von Jesus ausging.

 

Ich lese bei ihm: „Nur ein Mann von der Qualität eines Jesus kann die Wahrheit offenbaren, die in ihr (der Bibel) steckt... Jesus hat etwas vom Bauern an sich,“ schreibt Baghwan, „Weisheit ohne Gelehrsamkeit. Er ist kein Mann des Wissens, keine Universität dächte daran, ihm einen Ehrendoktor zu verleihen, nein. Er würde nicht nach Oxford oder Cambridge passen, er sähe sehr komisch aus in diesen Roben und Clowns-Hüten...“

 

Auch was er über das Judentum sagt, finde ich durchaus anregend: „Das Judentum ist die einzige Religion der Welt, die sagt, dass nicht nur der Mensch Gott sucht, sondern dass auch Gott den Menschen sucht... Wenn Gott nicht auch dich sucht, ist kaum Hoffnung auf ein Zusammentreffen.“
Obwohl ich Bhagwan faszinierend fand, stand ich niemals in der Gefahr, ihm als ein Jünger zu folgen. Es war zu offensichtlich, wie ich-bezogen und eitel er war.

 

Doch hat mich Bhagwan zu der Frage provoziert, ob es mir zu Jesu Lebzeiten nicht auch mit ihm so gegangen wäre, ob ich mich nicht auch an Jesus gestoßen hätte? Wäre ich still geblieben, als Maria Jesus mit dem teuren Nardenöl salbte oder hätte ich es als Verschwendung gegeißelt?
Die Theologie unterscheidet bewusst zwischen dem historischen Jesus und dem Christus, des Glaubens. Ich vermute, dass mein historischer Jesus in starkem Maße geprägt ist durch den Christus den der Glaube von Generationen geschaffen hat. Um all solche Differenzieren scherte Bhagwan sich nicht, er plauderte drauflos, provozierte, vereinnahmte. Doch nicht selten schreckte er mich auf und überraschte mit einem Geistesblitz.

22.10.2016
Pfarrer Jörg Machel