Blasphemie!

Morgenandacht
Blasphemie!
19.10.2016 - 06:35
19.10.2016
Pfarrer Jörg Machel

Was mag den Zeichner und Karikaturisten Gerhard Haderer nach seinem Tod erwarten? Seine Gegner meinen, es werden Höllenqualen sein, denn er hat mit seinen frechen Zeichnungen und Kommentaren Gott gelästert und das bleibt nicht ungestraft. Doch weil es mit der Glaubensgewissheit seiner Kontrahenten nicht ganz so weit her ist, wollten sie ihn gern schon hier auf Erden leiden sehen. Der Blasphemieparagraph wurde gegen ihn ins Feld geführt. In seiner Heimat Österreich konnte man sich damit zwar nicht durchsetzen, aber in Griechenland wurde Haderer in Abwesenheit zu sechs Monaten Haft wegen Beschimpfung einer Religionsgemeinschaft verurteilt. Obgleich das Urteil in zweiter Instanz aufgehoben wurde, sahen viele orthodoxe Christen ihre Religion verunglimpft.

 

Gegenstand des Verfahrens war ein Comicband mit dem Titel „Das Leben des Jesus“. Als ich von dem Urteil hörte, habe ich mir das Buch gekauft. Wird hier wirklich Gott gelästert, spottet Haderer wirklich über Jesus? Ich sah es nicht so. Wenn ich lachen musste, dann nicht über Glaubensinhalte, sondern über die Verbiegungen, die der Glaube erfahren hat und die Haderer schonungslos karikiert.

 

Es war nicht das erste mal, dass ich Position beziehen musste, weil man mich als Christ fragte, ob ich mich gedemütigt oder beleidigt fühle, weil sich ein Künstler meine Themen vornimmt. Als das Musical „Jesus Christus Superstar“ aufgeführt wurde gab es auch die Diskussion, ob Andrew Lloyd Webber das darf. Inzwischen ist das Musical ein Klassiker, und hat schon ein Millionenpublikum begeistert.

 

Bei dem Film „Das Leben das Bryan" hat sich der Sturm der Empörung zwar gelegt, aber bevor ich ihn mir mit Konfirmanden ansehe spreche ich mit den Eltern, um Missverständnisse zu vermeiden. Die Szene mit dem pfeifenden Mann am Kreuz bleibt eine Provokation, auch für mich. Aber es ist eine Provokation vor dem Hintergrund, dass das Kreuz seit Jahrhunderten über den Häuptern von Diktatoren hängt und Gerichtssäle dekoriert in denen auch heute noch Todesurteile gesprochen werden.

 

Ich freue mich, wenn Künstler meinen Glauben für Wert befinden, sich mit ihm auseinanderzusetzen, sich an ihm zu reiben. Die Jesusgeschichte ist eben kein leicht konsumierbares Kulturgut, sie enthält Wundergeschichten, die niemand glauben würde, wenn man sie ihm aus der Nachbarstadt berichten würde, sie behauptet Vorgänge, die in jedem wissenschaftlich gebildeten Menschen Zweifel aufkommen lassen.

 

Ich kann es ertragen, wenn Künstler sich solche Ungereimtheiten vornehmen und in ihrer Darstellung überspitzen und in ihrer Aussage überziehen. Selbst Geschmacklosigkeiten treffen mich nicht, sie bleiben an dem hängen, der sie produziert. Im besten Falle aber entdecke ich eigene Fehler und Schwächen. Dann ist es an mir zu erklären, vielleicht sogar meine Vorstellungen zu revidieren und Abbitte zu tun.

 

Nicht der Umgang mit meiner Religion durch missgünstige Zeitgenossen verstört mich, wirklich betroffen bin ich, wenn man mir vielleicht sogar durch eine Karikatur zeigt, wie sehr ich hinter dem Leben zurückbleibe, das Jesus von Nazareth mir eigentlich ermöglicht und zutraut, wenn ich mich in meiner Lauheit überführt sehe.

 

Den meisten Satirikern, die sich das Thema Religion als Gegenstand ihres Spottes vornehmen, geht es jedoch gar nicht um den Religionsstifter oder die Inhalte des Glaubens, ihnen geht es darum, das gegenwärtige Erscheinungsbild einer Religion zu karikieren. Sie machen sich über Kleriker lustig, die sich als Hüter der Wahrheit inszenieren. Sie verspotten Politiker, die sich der Religion bedienen, um ihren Machtanspruch zu untermauern. Haderer hat besondere Freude daran, den kleinen Gernegroß mit seinem Zeichenstift aufzuspießen.

 

Ich denke, Jesus hat es nicht nötig, dass wir ihn durch Paragraphen schützen. Wenn wir uns ihm in seiner grenzenlosen Menschenfreundlichkeit zur Seite stellen, dann sind wir gut positioniert.

19.10.2016
Pfarrer Jörg Machel