„Das Feuer hüten“

Morgenandacht
„Das Feuer hüten“
29.08.2015 - 06:35
17.06.2015
Superintendent Jan von Lingen

Zweierlei sei nötig: Das Feuer zu entfachen und das Feuer zu hüten, erklärt der Mann vom Heimatverein. In einer ganz eigenen Morgenstimmung stehe ich in einem Wald an einer Köhlerhütte. Vor uns ein Kohlenmeiler, so wie er in früheren Zeiten an vielen Orten errichtet wurde: ein Kegel, aufgeschichtet aus Holzscheiten, bedeckt mit Erde, Gras und Moos. Nach einigen Erklärungen ist es soweit: Ein Junge führt eine lange Stange, an deren Spitze ein Feuer brennt, durch einen Schacht in das Innere des Meilers. Fasziniert beobachten wir, wie kurz darauf der erste Rauch oben aus dem mehrere Meter hohen dunklen Kegel aufsteigt. 10 Tage, so hören wir, würde diese Meiler nun brennen und bewacht werden. Der Lohn wird Holzkohle sein, so, wie sie früher hergestellt wurde.

 

"Ein Feuer entfachen, ein Feuer hüten" – diese Wortpaare klingen nach vergangenen Zeiten. Denn wer "entfacht" schon sein Feuerzeug? Oder "hütet" das Feuer im Kamin? Aber es bleibt klangvolle Bildersprache, in der manches mitschwingt...

 

"Ein Feuer entfachen" zu können – diese Fertigkeit hat den Menschen zu dem gemacht, was er ist. Menschen sind angewiesen auf "Feuerstellen" – auch im übertragenen Sinne. In der Bibel wird der Heilige Geist im Symbol der Feuerflammen dargestellt: Er ist der Funke, der zündet, der "Geistes"-Blitz, der Menschen über sich selbst hinaus führt und der manchmal von einem zum anderen überspringt. Für mich steckt darin auch die Frage: Brennt noch etwas in mir? Entfache ich ein Feuer bei anderen?

 

Daneben dieses zweite Begriffspaar: "Das Feuer hüten": Ein echtes Köhlerfeuer wird nicht nur Stunden, sondern Tage und Wochen gehütet, habe ich gehört. Es wird bewacht, damit es einerseits genug, andrerseits nicht zu viel Sauerstoff hat. Erkennen kann man das durch die Farbe und die Intensität der Rauchschwaden. Gelingt alles, dann entsteht Holzkohle. Sie entwickelt genug Hitze, um Eisen bearbeiten zu können. Nur eines darf nicht geschehen: Der Kohlenmeiler darf nicht erlöschen.

 

Auch darin steckt für mich ein starkes Bild: Wir dürfen die wärmenden Feuer in unserer Welt nicht erlöschen lassen. So manche Gemeinschaftsorte, an denen wir zusammen kommen, sind wie Feuerstellen. Wie kann ich ihr Feuer hüten? Was kann ich für die Gemeinschaft tun? Was dazu beitragen, damit unsere Welt lichter und wärmer wird?

 

„Das Feuer hüten“ – "hüten" ist ein wunderbares altes Wort, finde ich. Nur noch wenige Menschen hüten tatsächlich eine Herde. Und doch ist „hüten“ bei uns in der Familie ein wichtiger Begriff. Wir haben seit einigen Monaten einen Hütehund. Einen Australien Shepard: Shepard bedeutet „Schäfer“ oder „Hirte“. Es ist gar nicht so einfach, mit so einem jungen Hüte – oder Hirtenhund eine Treppe runter zu gehen. Zwei Erwachsene und zwei Jugendliche öffnen die Tür im ersten Stock und der junge Hund, gerade 10 Monate alt, rennt angeleint vorweg. Aber dann bleibt er plötzlich stehen, schaut sich um, wirft den Kopf nach links und rechts, läuft vor und zurück – und prüft ständig: Sind noch alle da? Ist meine Herde noch brav zusammen? – Und das alles auf einer schmalen Treppe mit vier Personen. Da versteht man die Geschichte von dem Hundeliebhaber, der sich zuerst einen Australien Shepard anschaffte – und anschließend ein paar Schafe, damit der Hütehund beschäftigt war. Wie wäre es, mit einer solchen Intensität die "Feuer" in unserer Gesellschaft zu hüten? Damit sie flackern und Wärme geben...

 

Das Feuer "hüten" – an jenem Morgen, als ich mit vielen Menschen fasziniert vor dem Kohlenmeiler stand, habe ich das auf eindrückliche Weise verstanden: Die Orte, an denen wir zusammenkommen, sind manchmal wie Feuerstellen. In einer Welt, in der oft genug der Eigennutz regiert, dürfen wir diese Gemeinschaftsfeuer nicht erlöschen lassen.

17.06.2015
Superintendent Jan von Lingen