Das Lächel-Experiment

Morgenandacht
Das Lächel-Experiment
27.08.2015 - 06:35
17.06.2015
Superintendent Jan von Lingen

Eigentlich soll der junge Mann bloß kassieren. Er ist angestellt als Aushilfskraft in einer Kantine und steht an der Kasse. Viele schieben mürrisch oder gestresst ihre Tabletts an ihm vorbei und gehen dann grußlos zu den Tischen. Das muss anders werden, dachte der junge Mann. Und darum hat er sich für seinen dritten Tag in der Kantine etwas ausgedacht. Nun schaut er seine Stammkunden hinter ihren Tabletts mit einem fröhlichen Lächeln an und sagt: „Guten Tag, ich mache ein privates Experiment. Würden Sie einmal lächeln, wenn ich Ihnen das Wechselgeld zurückgebe?“

 

Als ich von seinem Experiment hörte, habe ich gedacht: Schön, wenn einer den Anfang macht. Denn das Lächeln tut beiden gut – dem, der um ein Lächeln bittet, wie auch dem, der es verschenkt. So entsteht ein Dominoeffekt – eins stößt das andere an. Vielleicht nimmt der eine oder die andere jenes Lächeln aus der Kantine mit – in die Abteilung, in den Bus, nach Hause, wer weiß. Und man könnte sagen: Eine Empfehlung für diesen Dominoeffekt von einem zum anderen stammt aus der Bibel: „Liebe Deinen Nächsten – wie Dich selbst“. Ich höre darin auch: Wende dich ihm zu und lächle ihn an! Und manchmal wird aus diesem freundlichen Lächeln ein fröhliches Lachen...

 

Allerdings: Ganz so leicht hat sich die Kirche mit dem Lächeln und dem Lachen nicht getan. Lachen störe das „Gleichgewicht der Seele“, meinten schon die alten Lehrer der Kirche. Wer in der Kirche lachte, wurde bestraft – und zwar mit Fasten. Schließlich habe Jesus auch nicht gelacht! Berühmt wurde diese Behauptung durch den mittelalterlichen Krimi „Der Name der Rose“. Da tötet ein alter Mönch diejenigen, die sich an einer griechischen Komödie erfreuen wollen. Der Grund, so der Alte: „Lachen tötet die Furcht. Und ohne Furcht kein Glaube!“ – Finster, oder?

 

Tatsächlich wird in der Bibel nicht berichtet, dass Jesus gelächelt oder gelacht habe. Aber mit wie viel Augenzwinkern werden Geschichten über ihn erzählt! Da entdeckt Jesus den kleinwüchsigen Zöllner Zachäus, der heimlich seinen Einzug in Jericho beobachtet. Und Jesus holt ihn vor aller Augen vom hohen Baum herunter, um sich ausgerechnet bei ihm einzuladen. Oder die Hochzeit zu Kana: Da wird es nicht bierernst zugehen, als der Wein ausgeht und Jesus Wasser in Wein verwandelt. Jesus selbst erzählt in seinen Gleichnissen sicher mit einem Lächeln von fröhlichen Festen, wenn der verlorene Sohn heimkehrt oder wenn eine arme Frau ihre verschollene Münze wiederfindet und das mit ihren Nachbarinnen feiert. Und wie viele haben sich wohl an ihre Begegnungen mit Jesus erinnert und dabei vielleicht an die Worte aus dem 126. Psalms gedacht: „Da war unser Mund voll Lachen und unsere Zunge voll Jubel.“

 

Lachen ist eine Gabe Gottes. Lachen befreit. Und wie gesund Lachen ist, hat die Wissenschaft längst bewiesen. Wir nehmen mehr Sauerstoff auf, durchbluten den Körper, stärken die Abwehrkräfte. Rund 80 Muskeln werden bewegt, wenn wir herzlich lachen.

 

Aber in der Kirche? Dort geschieht das eher selten, zugegeben. Denn der Glaube ist ja kein „Spaß“, geht es hier doch um die ernsten Fragen des Lebens – und um das, was danach kommt. Aber hin und wieder passiert es doch: ein Lachen im Gottesdienst. Nicht immer ganz freiwillig. So wie neulich, als ich Jill und Tim taufen wollte. Jill und Tim sind Geschwisterkinder, 14 und 5 Jahre alt, also konnte ich zu ihnen sprechen. Und als ich Jill und Tim schließlich aufforderte zum Taufbecken zu kommen, sagte ich feierlich: „Und nun bitte, Jim und Till nach vorne zu kommen“. Da rief die Mutter rief durch den Kirchraum: „Jim und Till, die haben wir hier nicht...“ – Lautes Lachen in der Kirche – also, es wurde noch eine heitere Taufe.

 

Erlösendes Lachen, Situationskomik in einer Beratung, Spaß beim Singen im Chor – gerade wenn es in der Probe mal für einen Moment richtig schön schräg wird. Das ist dann ganz im Sinne Martin Luthers, der einmal geschrieben hat: „Wo Glaube ist, da ist auch Lachen. Und wenn Gott keinen Spaß verstünde, so möchte ich nicht im Himmel sein.“

17.06.2015
Superintendent Jan von Lingen