Dorf der guten Taten

Morgenandacht
Dorf der guten Taten
13.07.2016 - 06:35
04.07.2016
Pfarrer Karl-Martin Unrath

Am Jahresende waren es 817 gute Taten, die die Menschen in dem englischen Dorf Congresbury letztes Jahr getan hatten. Wahrscheinlich waren es ja viel mehr. Aber 817mal hatten die Leute ihre guten Taten auf einen Zettel geschrieben. Den Zettel haben sie dann in eine große, bunt beklebte Box aus Pappe geworfen, die in der Kirche aufgestellt war. Und um die Kirche ging es auch. Gut, in erster Linie ging es um „Love Congresbury“, so heißt die Gute-Taten-Aktion. Aber der Anlass dafür war die Kirche in dem 3500-Seelen-Ort im Südwesten Englands. St. Andrews, die imposante, vielleicht etwas überdimensionierte, gotische Kirche inmitten des Dorfes feierte letztes Jahr ihren 800. Geburtstag. Happy birthday dachte sich das Festkomitee und überlegte, wie zum Kirchengeburtstag das ganze Dorf etwas mehr happy werden könnte; glücklicher also. So entstand die Idee zu „Love-Congresbury“. 800 gute Taten sollten zum 800. Geburtstag von St. Andrews gesammelt werden. Und alle machten mit. Die Mitglieder der anglikanischen St. Andrews-Gemeinde natürlich. Aber auch Katholiken, Methodisten und was es sonst noch an Konfessionen gibt in Congresbury. Gläubige anderer Religionen waren auch dabei und natürlich machten auch nichtreligiöse Menschen mit. Alle eben.

Schon beeindruckend, was da an guten Taten zusammenkam. Natürlich war der Klassiker der guten Tat gleich mehrfach vertreten: ‚Älterer Dame die schwere Einkaufstasche nach Hause tragen‘. Ein paar Leute sammelten den Müll im Dorf ein. Einige Senioren organisierten Kleiderspenden für Obdachlose. Jugendliche strichen Zäune für Leute, die das selbst nicht mehr konnten. Außerdem Heckenschneiden, Rasenmähen – solche Sachen. Einer übernahm die Tierarztrechnung für seinen Nachbarn. Ein anderer schenkte einem Fan sein Ticket für die Filmpremiere des neuesten Star-Wars-Films. Der soll geweint haben vor Glück.

Ich habe mir überlegt, ob so etwas auch in meinem saarländischen Dorf möglich wäre. Und dann ist mir klar geworden, es geschieht ja längst! Jedes Jahr sammelt die Jugendfeuerwehr den Müll von den Rändern der Landstraße, den Mitbürger einfach aus den Autos werfen. Picobello heißt die landesweite Aktion. Meinen Nachbarn habe ich im Winter mehrfach dabei beobachtet, wie er den Schnee vor dem Haus der alten Nachbarin gegenüber einfach mitgeräumt hat. Ich hatte den Eindruck, es war ihm ein wenig peinlich, bei seiner guten Tat erwischt zu werden. Als klar war, dass zwei Flüchtlingsfamilien ins Dorf ziehen würden, fand sich sehr schnell ein Unterstützerkreis, der den Familien dabei hilft, sich einzuleben. Eine junge Frau hat Leute um sich gesammelt, die im Mai und Juni, bevor die Bauern die Wiesen mähen, vorsichtig die Rehkitze aus den Wiesen tragen. Sonst würden sie beim Mähen getötet werden. 15 Kitze wurden in diesem Jahr so gerettet. Bis zu 30 Leute sind mehrfach durch die Wiesen gegangen. Nicht schlecht für ein 600-Seelen-Dorf.  

Das Schönste ist: Die guten Taten tun nicht nur denen gut, denen sie getan werden, sondern auch denen, die sie tun. Gute Taten machen glücklich und gemeinsame gute Taten können ein ganzes Dorf glücklich machen. Für das soziale Klima in einem Dorf gibt es nichts Besseres als gemeinsame gute Taten. Und das gilt nicht nur für ein Dorf, das gilt für jede Gemeinschaft.

Im englischen Dorf Congresbury haben sie diese Erfahrung auch gemacht. „Das ganze Dorf ist regelrecht süchtig geworden“ nach Taten der Nächstenliebe, sagt eine Sprecherin der Aktion „Love Congresbury“. Also haben sie beschlossen, die Aktion um mindestens ein Jahr zu verlängern. Bis Februar waren schon wieder 100 Zettel im Kasten. Glückliches Congresbury.

Auf der Homepage von St. Andrews habe ich das Leitbild der Gemeinde gefunden: Bringing Christ‘s light into the heart of our community. Das Licht Christi ins Herz unserer Gemeinschaft bringen. Die Gemeinde St. Andrews hat ihr Leitbild mit Leben gefüllt.

04.07.2016
Pfarrer Karl-Martin Unrath