Dornen und Rosen

Morgenandacht
Dornen und Rosen
12.12.2017 - 06:35
06.12.2017
Pfarrerin Melitta Müller-Hansen
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Sie blühen in allen Farben. Und duften manchmal betörend. Ihre Blütenblätter sind weich wie Samt, doch Vorsicht: am Stiel haben sie Stacheln. Rosen sind erlesene Geschöpfe. Die schönsten Liebeserklärungen sind nur mit einer Rose möglich. Meine, die ich an jenem entscheidenden Abend von meinem späteren Mann geschenkt bekam, war lachsfarben. Edel, langstielig. Und dieser Duft. Zahlreich sind die Blätter einer Blüte, unendlich, wer sie zählen möchte, wird scheitern – so erzählen Rosen von der Unendlichkeit und von der Liebe, die einfach da ist, unergründlich und frei von jedem Warum und Wozu. Doch die Stacheln sagen auch: der Schmerz gehört dazu.

 

Eines der schönsten Adventslieder erzählt von einem Rosenwunder. Ein Lied in Moll, es klingt düster, schwer, melancholisch. Und erzählt von einem ganzen Wald voller Dornen.

 

Maria durch ein‘ Dornwald ging, kyrieleison.

Maria durch ein Dornwald ging,

der hat in sieben Jahrn kein Laub getragen.

Jesus und Maria

 

Ein Wald, der 7 Jahre lang kein Laub getragen hat, ist eigentlich tot. 7 Jahre Leid und Dürre und Erstarrung, das ist auch für ein Menschenleben eine lange Zeit. Oder für ein ganzes Land. Wie das komplett zerstörte, zerschossene und niedergetrampelte Syrien. Diejenigen, die diesen Krieg überleben, werden ihn noch viel länger als nur 7 Jahre mit sich herumtragen und nachts aufschrecken aus ihren Alpträumen. Ein ganzer Wald von Dornen. Das Lied erzählt, wie diese Düsternis sich wandelt, wie aus dem toten Dornenwald – vielleicht muss man sagen: wie aus der Gottesferne, in die Menschen geraten können, etwas Lebendiges wird.

 

Es braucht jemand wie Maria, die etwas Neues hineinträgt in die Dornen. Es braucht eine Hilfe von außen. In Syrien ist das für mich Christian Springer mit seinem Verein „Orienthelfer“. Er baut Schulen und organisiert Hilfe fern aller fremden Interessen. Es braucht dafür auch einen jungfräulichen Anteil der eigenen Seele, damit sich die Seele frei macht von allem, was war und wieder bereit ist, diese Welt für einen Ort zu halten, der lebens- und liebenswert ist. Einen Ort der Gottesgegenwart. Und der unergründlichen Liebe. Maria trägt das göttliche Kind hinein in den Dornenwald. Da haben die Dornen Rosen getragen.

 

Da haben die Dornen Rosen getragen, kyrieleison.

Als das Kindlein durch den Wald getragen,

da haben die Dornen Rosen getragen.

Jesus und Maria.

 

 

 

Musik dieser Sendung:

Maria durch ein Dornwald ging, Athesinus Consort Berlin, O Heiland, reiß die Himmel auf

 

 

 

 

 

06.12.2017
Pfarrerin Melitta Müller-Hansen