Energie und Lampenöl

Morgenandacht
Energie und Lampenöl
09.02.2017 - 06:35
05.02.2017
Pfarrerin Cornelia Coenen-Marx

Ein letzter Blick in die Tasche, bevor es losgeht. Schlüssel und Portemonnaie sind da, die Wasserflasche, Kladde und Stifte – und auch das Handy.. Und wo ist der Beutel mit dem Stecker und dem Ladegerät? Wenn ich den vergesse, muss ich am Ende andere um Strom fragen. Oder gleich irgendwo am Bahnhof einen neuen Stecker kaufen. Es wäre nicht das erste Mal. In meinem Schreibtisch gibt es inzwischen eine ganze Schublade mit überflüssigen Steckern, zu denen kein Handy mehr passt. Früher, als es noch keinen Strom gab, war’s das Lampenöl. Wie in der Geschichte von den jungen Mädchen, die als Brautjungfern zu einer Hochzeit eingeladen sind. Sie haben kleine Öllämpchen mit, um den Weg des Brautpaars zu erleuchten. Aber der Bräutigam verspätet sich – so lange, bis sie müde werden und einschlafen. Sie werden erst wach, als sie die Rufe hören: Nehmt Eure Lampen, es geht los. Aber inzwischen ist ihr Öl zu Ende gegangen. Und nun zeigt sich: die einen haben vorgesorgt und die anderen nicht. Jetzt scheidet sich die Spreu vom Weizen, wie die Bibel erzählt: „Die törichten aber sagten zu den klugen: Gebt uns von eurem Öl, sonst gehen unsere Lampen aus. Die klugen erwiderten ihnen: Dann reicht es weder für uns noch für euch; geht doch zu den Händlern und kauft, was ihr braucht“. Aber es ist jetzt zu spät; während die jungen Frauen noch unterwegs sind, kommt der Bräutigam; der Zug setzt sich in Bewegung und die Tür zum Hochzeitssaal wird geschlossen. Das Fest findet ohne die törichten statt. „Seid wachsam“, sagt Jesus am Ende der Gleichnisgeschichte. „Denn ihr wisst nicht, an welchem Tag der Herr kommt.“

 

Wer heute viel unterwegs ist, lernt bald, mit Verspätungen zu rechnen. Gleich ob man Bahn fährt oder im Stau auf der Autobahn steht: es ist gut, nicht nur das Handy mit zu haben, sondern auch den Stromstecker oder besser noch ein Ladegerät. Damit man anderen Bescheid geben kann, wenn es mal wieder nicht klappt wie geplant. Aber Jesus geht es um mehr als um Energie oder Lampenöl. Es geht ihm darum, dass wir vorbereitet sind, wenn die Zeiten sich ändern. Er will uns dabei haben, wenn das große Fest beginnt.

 

Denn das Hochzeitsfest ist ein biblisches Bild für das Reich Gottes. Für die große Zeitenwende. Wie schnell sich alles ändern kann, erfahren wir gerade: Politisch scheint eine neue Ära begonnen zu haben. Manche sprechen vom Ende des Westens. Andere reden längst schon vom Ende der Wachstumsgesellschaft. Wir erleben ungeahnte Kriege und Katastrophen, Bombenopfer und Flüchtlingselend. Das Ende unserer alten Welt. „Wacht endlich auf“, sagen manche. Vieles hättet Ihr wissen können, wenn Ihr nur die Augen offen gehalten hättet. Weil aber lange alles gut ging, weil alles schien wie immer, sind wir halt eingeschlafen.

 

Und das Lampenöl, die Energie, die jetzt nötig ist? Geht es um Wissen? Um Informationen? Oder um Kontakte? Alles wichtig, aber das scheint nicht zu genügen. Eher geht es um die Haltung: Dass wir realistisch sind und mit unseren Schwächen rechnen. Dass wir klug sind und Überraschungen für möglich halten – Dinge, mit denen wir nie gerechnet hätten. Im letzten Jahr haben wir einige erlebt – ich jedenfalls hätte nicht mit einem Brexit gerechnet und kaum mit Trump. Aber auch, wenn der Egoismus triumphiert, auch wenn die alte Welt sich noch einmal derartig aufbäumt: Realismus gehört zum christlichen Glauben. Er ist so notwendig wie die Hoffnung auf eine andere, eine bessere Welt. Gottes Zeit kommt noch, sagt die Bibel. Darum lasst Euch nicht irritieren, wenn nicht alles wie erwartet läuft. Sondern rechnet vor allem mit einem: mit seinem Kommen, mit seiner Gegenwart.

 

Und die wird nicht auf Twitter angekündigt. Gottes Energie spüre ich, wenn ich die Augen schließe. Und still sitze. Manchmal eignet sich eine Zugverspätung ganz gut dafür. Zeit, mit der ich nicht gerechnet hatte. Und die mir Gelegenheit gibt, noch einmal Energie zu tanken und in Ruhe über meinen Weg nachzudenken-. Wenn ich dann noch andern Bescheid geben kann, ist alles in Ordnung. Also: Auch Handy und Ladegerät nicht vergessen.

05.02.2017
Pfarrerin Cornelia Coenen-Marx