Krönchen richten

Morgenandacht
Krönchen richten
23.08.2017 - 06:35
17.08.2017
Pastorin Miriam Stamm

Ich lege den Telefonhörer auf und sehe die Postkarte über meinem Schreitisch: „Hinfallen, aufstehen, Krönchen richten, weitergehen“ steht auf der Karte.

 

Krönchen richten ist jetzt angesagt, denke ich mir. Denn das Gespräch mit meiner Freundin hat mir einen Dämpfer verpasst: „Du bist zu negativ! Du musst positiv denken“, sagte sie zu mir. „Hör auf zu grübeln, sonst ziehst du Unglück in dein Leben!“ Uff, das saß. Mal abgesehen davon, dass ich der Aufforderung, nicht zu grübeln, gar nicht so plötzlich nachkommen kann. Selbst, wenn ich will. Mein Geist führt ein Eigenleben, gegen das zu kämpfen ungefähr so aussichtsreich ist, wie der Versuch, meine Wohnung staubfrei zu halten.

 

Nach dem Gespräch mit meiner Freundin gehe ich, wie immer grübelnd, ins Bett. Diesmal fühle ich mich dabei auch deswegen schlecht, weil ich nicht gegen mein Grübeln ankomme. „So, wie ich bin, sollte ich nicht sein“, ist mein letzter Gedanke vor dem Einschlafen.

 

Ich kenne und beneide diese Sorte Menschen, die fröhlich und gut gelaunt durch den Tag gehen. Kleine Missgeschicke kommentieren sie mit einem Lachen und beachten sie nicht weiter. Solche Optimisten haben die Fähigkeit auch einem verregneten Urlaubstag noch etwas abzugewinnen.

 

Daneben gibt es Menschen, die schon im Voraus Probleme sehen. Zum Beispiel mahnen sie die Tücken eines neuen Computerprogrammes bereits dann an, wenn der Rest der Kollegen sich noch über die angekündigte Arbeitserleichterung freut. Es erklärt sich von selbst, welche Sorte Mensch entspannter ins Bett geht.

 

Positiv denken! Die Ratgeberliteratur empfiehlt das deshalb auch dringend. Zum einen, um entspannter schlafen zu können, zum anderen, weil kritische Gedanken angeblich kritische Lebensereignisse herbeirufen. Da haben es die Grübler aber wirklich schwer! Am Ende sind sie noch verantwortlich für das Unglück dieser Welt, dass sie schon im Voraus angemahnt haben. Frei nach der volkstümlichen Mahnung: „Schreie das Unglück nicht herbei!“ So einfach ist das aber nicht.

 

Die Titanic ist nicht deshalb untergegangen, weil es zu viele Skeptiker an Bord gab, sondern zu wenige. Sämtliche Eisbergwarnungen wurden einfach ignoriert.

 

Grüblerische und höchst skeptische Momente hat auch Gott. Die Bibel erzählt davon. Gott und seine Propheten warnten immer wieder ihr Volk vor bevorstehenden Katastrophen, die eintraten, weil es zu viele Optimisten gab, die kritische Anmerkungen als Miesmacherei abgetan haben.

 

Der Mensch ist die Krone der Schöpfung, heißt es landläufig. Die Bibel geht da noch weiter: Sie spricht von der Ebenbildlichkeit, der Spiegelbildlichkeit des Menschen mit Gott. Wir Menschen sind Gott ähnlich in allen unseren Facetten. Ob als Grübler oder Optimist, wir sind Gottes lebendiges Gegenüber, seine Spiegelbilder.

 

Keine dieser Ausdrucksformen ist besser oder schlechter als die andere. Alle Facetten haben ihre Berechtigung, sogar ihre Notwendigkeit.

 

Ich darf grübeln und muss nicht ständig positiv denken. Seitdem ich das für mich verstanden habe, grüble ich viel entspannter und mag mich wieder. Das ist viel wert. Wer sich selbst mag und nicht mehr gegen sich kämpft, strahlt das auch aus. Ein Ja, ein Einverständnis zu sich selbst finden, das ist wie durch eine Tür gehen, die Gott schon lange geöffnet hat. Es ist die Tür zu einem inneren Frieden ohne Bedingungen.

 

„Hinfallen, aufstehen, Krönchen richten, weitergehen“. Der Spruch auf der Postkarte über meinen Schreibtisch erinnert mich daran, dass ich schon längst Mitglied bin in Gottes Hofstaat. Und Gott mit mir einverstanden ist. Das ist kein positives Denken, sondern eine handfeste Zusage: „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein.“ Wenn Gott das über mich sagt, dann schau ich mal, was es so für Aufgaben gibt, für Geschöpfe wie mich, die viel grübeln.

17.08.2017
Pastorin Miriam Stamm