Mission Impossible: Paulus

Morgenandacht
Mission Impossible: Paulus
01.08.2015 - 06:35
16.06.2015
Pfarrerin Angelika Obert

Ein Sturm tobt auf dem Mittelmeer. Tagelang bleibt der Himmel schwarz. Tage und Nächte lang wird das Boot zwischen den Wogen hin- und hergeworfen. 271 Männer sind an Bord, klitschnass, hungrig, todesgewiss. Streit kommt auf. Kaum einer glaubt noch an Rettung.

 

14 Tage treiben sie verloren auf dem Meer und haben großes Glück, endlich bei Malta zu stranden. Freundliche Menschen nehmen sie auf. Sie werden versorgt und gestärkt.

 

Was für ein Wunder, dass sie das überlebt haben! Sie haben es nicht zuletzt dem fremden Mann zu verdanken, den sie nur auf Befehl mit an Bord genommen haben. Er hat in den fürchterlichen Chaostagen einen klaren Kopf bewahrt und für eine gewisse Ordnung gesorgt. Dabei kannte man ihn doch als Aufrührer. Jahrelang – so geht das Gerücht – hat er in Kleinasien für Unruhe gesorgt. Jahrelang ist er von einer Stadt zur nächsten gezogen, hat sich überall Feinde gemacht, musste immer wieder fliehen. Er ist berüchtigt als ein Kerl, der „den ganzen Weltkreis erregt“ (Apostelgeschichte 17,6), aber im Sturm auf dem Mittelmeer hat er unerschütterliche Ruhe bewahrt. Darum haben die 271 Männer überlebt und schließlich ihr Ziel erreicht: Italien. Erst in Rom verliert sich die Spur jenes seltsamen Unruhestifters, der in der Not doch ganz ruhig blieb. Man soll ihn da umgebracht haben.

 

Der Mann war kein Flüchtling aus Afrika, keine Figur aus einem Krimi von Donna Leon. Auch kein Filmheld – obwohl, der berühmte Filmtitel „Mission Impossible“ passt auf ihn. Denn eine Mission hatte er und unmöglich kann man die auch heute noch finden.

 

Wenn man sich ihn denn noch vorstellen könnte als einen lebendigen Menschen mit einem klopfenden Herzen, einem verletzlichen Körper, einem unermüdlichen Verstand.

 

Aber wir kennen ihn viel zu lange schon nur in Stein gehauen: Paulus von Tarsus, den Apostel, von dessen abenteuerlicher Migration die biblische Apostelgeschichte berichtet. Wir kennen ihn auch von alten Bildern als den Mann mit der Halbglatze, der eine Bibel in der Hand hält. In der sind die Briefe, die er selber schrieb, nun auch enthalten und gelten als Kernstücke der christlichen Theologie. Wie ja auch seine Reiserouten im Anhang der Bibel auf einer extra Karte eingezeichnet sind, gestrichelt und gepunktet: die Missionsreisen des Apostels Paulus.

 

Ich erinnere ich mich noch an das Gähnen in der Religionsstunde, wenn wir auf diese Karte starrten: Pamphylien, Lydien, Mysien – was sind das auch für Namen! Und was ist das auch für ein Beruf: Missionar! Auch der klingt nach zäher Religionsstunde – bloß unter Palmen. Zu Unrecht wahrscheinlich, denn oft genug waren die Missionare ja tapfere Menschen, die nicht nur ihren Glauben, sondern auch Schulen und Krankenhäuser in die vergessensten Winkel der Erde brachten.

 

Dieser Erste allerdings, der Apostel Paulus, hatte noch gar keine Kirche im Rücken, die ihn hätte entsenden können. Und er wollte auch gar keine gründen. Er war nur ein ruheloser Kopf in der Jesusbewegung. Mehr als alle andern davon durchdrungen, dass im Licht des auferstandenen Christus alles neu gedacht werden müsse. Ihm war klar: Die alten Abgrenzungen sind aufgehoben. Die Grenzen zwischen Einheimischen und Fremden, zwischen Hochgestellten und Niedrigen, zwischen „uns“ und „den Andern“ – diese immer wieder unheilvollen Grenzen konnten einfach nicht mehr gelten.

 

Und wenn auch – zugegeben – jeder Mensch von Natur aus mit solchen Abgrenzungen lebt – dann hat Gott in Christus doch offenbart: Jetzt seid ihr frei davon. Jetzt gilt kein „wir“ mehr, das sich gegen irgendein fremdes „ihr“ abschotten muss.

 

In dieser Mission war Paulus unterwegs, die bis heute schier unmöglich zu sein scheint.

 

Er wollte nicht in Stein gehauen werden. Er wollte nur, dass die unheilvollen Abgrenzungen aufhören. Und er hatte als frommer Jude dabei natürlich auch Gottes Gebot an den Urvater Abraham im Kopf: „Geh! In dir sollen gesegnet sein alle Völker auf Erden!“

16.06.2015
Pfarrerin Angelika Obert