Streithähne und Wutzwerge

Morgenandacht
Streithähne und Wutzwerge
06.10.2015 - 06:35
18.06.2015
Pastorin Annette Gruschwitz

Der Tag fing eigentlich ganz normal an. Der Wecker klingelte, ich stand auf, Duschen, Anziehen. Dann die Kinder wecken, fröhliches Rumalbern, frühstücken ... und dann: Da waren sie wieder. Diese Mitbewohner, auf die ich gut verzichten kann: Streithähne und Wutzwerge.

 

Ich weiß nicht, was sie an diesem Morgen auftauchen ließ. Das Lieblings-T-Shirt war noch schmutzig in der Wäsche? Der Kakao zu kalt? Die Marmelade zu rot, das Brot vom Bruder größer als das eigene, die Uhr zu schnell, das falsche Bein? Jedenfalls sind sie da. Viel zu oft.

 

Um ehrlich zu sein: Ich hasse sie! Denn die Wutzwerge und Streithähne bleiben nicht bloß bei meinen Kinder und auch nicht in der Wohnung. Sie sind ansteckend, und sie vermehren sich rasend schnell. Wie oft schmuggelt sich so ein Wutzwerg in meinen Bauch und lässt es gehörig in mir brodeln. Oder ein Streithahn sitzt mir auf der Schulter und kräht mit mir die schlechte Laune raus. Es dauert, bis ich sie wieder los werde.

 

Sie begegnen mir im Laufe eines Tages mehrmals. Unangenehm ist das.

 

Dabei weiß ich, dass Wut und Streit dazugehören. Sie sind wichtige Mitbewohner – ja Lebensbegleiter. Meine Kinder müssen lernen mit ihnen umzugehen. Sie sind wichtig für ihre Entwicklung.

 

Und für mich sind sie auch wichtig. Auch ich als Erwachsene muss noch einiges lernen im Umgang mit Wut und Ärger: Wie streite ich? Wie reagiere ich bei Meinungsverschiedenheiten?

 

Nehme ich eher Reißaus und verkrieche mich wütend ins Schweigen... um dann später übereinander statt miteinander zu reden? Sind immer die anderen Schuld?

Lass ich meine Wut mit einem lauten Schrei los? Und haue auch mal auf den Tisch?

Oder setze ich eine lächelnde Maske auf – um dann meinem Gegenüber mit messerscharfen Worten zuzusetzen?

Oder tue ich so, als wäre nichts gewesen und werde zu einer Gummiwand, an der alles abprallt?

 

Ärger gehört zum Leben. Und Streit auch. Die Frage ist nur – was mache ich daraus?

 

In der Bibel gibt es auch oft Ärger und Streit.

Zum Beispiel die Brüder Jakob und Esau. Sie waren wohl nie ein Herz und eine Seele. Geschwister eben. Aber Jakob hatte es wirklich drauf, seinen Bruder nicht nur einmal so richtig über den Tisch zu ziehen. Er ging soweit, dass Esau ihm blutige Rache schwor. Und er meinte es ernst – todernst. Jakob verließ daraufhin für viele Jahre seine Familie.

 

Oder die Schwestern Maria und Martha. Die eine sieht die Arbeit und packt tatkräftig mit an, organisiert, macht, tut. Die andere nimmt sich gern mal eine Auszeit, weil sie anderes wichtiger findet. Der Ärger ist vorprogrammiert und der Streit unvermeidlich.

 

Oder die Brüder und Schwestern in den ersten christlichen Gemeinden. Ausgerechnet um das Liebesmahl streiten sie – das Abendessen, bei dem nicht nur Brot und Wein in Erinnerung an Jesus geteilt wurden, sondern jeder etwas mitbrachte, um miteinander zu teilen. Was wurde da diskutiert, ob man mit dem Essen auf die warten soll, die noch arbeiten mussten und später kamen. Die Reichen brachten das beste Essen mit und kamen auch zuerst. Die versklavten Mitglieder der Christengemeinde konnten erst später kommen. Und statt zu warten, nahm man sich schon mal die besten Häppchen. Kein Wunder, dass man sich gegenseitig Lieblosigkeit vorwarf.

 

Auch in diesen Geschichten begegnen einem die Streithähne und Wutzwerge. Und auch damals konnten die Konflikte nicht immer so geregelt werden, dass alle Seiten zufrieden waren und sich miteinander vertrugen.

 

Mich fasziniert daran, dass die Konflikte nicht versteckt, verheimlicht oder beschönigt werden, sondern ausgetragen.

 

Man spricht miteinander, man versucht, den anderen zu verstehen. Vermittler werden eingeschaltet.

 

Und immer wieder wird Gott um Hilfe gebeten, um die richtigen Worte zu finden.

Dass Gott Mut macht, Verärgerung auszusprechen.

Dass Gott offene Ohren und Herzen für den anderen schenkt.

Dass Gott einen Weg zeigt, um sich zu versöhnen.

 

Ich glaube, das sind gute Wege. Und ich hoffe, dass meine Kinder und ich daraus lernen.

18.06.2015
Pastorin Annette Gruschwitz