Versöhnte Verschiedenheit

Morgenandacht
Versöhnte Verschiedenheit
22.09.2016 - 06:35
20.09.2016
Pfarrerin Petra Schulze

Bedrohen Religionen den Frieden? Oder anders gesagt: Sind Religionen verantwortlich für die Kriege der Welt?

Ein Blick in die Geschichte, die Nachrichten und auf die Weltkarte genügt, um zu so einem Schluss zu kommen. Es stimmt, gefährlich wird eine Religion, wenn sie Gottes Namen missbraucht – um eigene Machtinteressen mit Unterdrückung, Gewalt und Krieg durchzusetzen. Die eigene politische Herrschaft zu stabilisieren. Oder um die eigene Nation oder Ethnie über andere zu stellen. Eine Religion wird gefährlich, wenn sie Menschen anderen Geschlechts und anderer sexueller Ausrichtung ausgrenzt oder abqualifiziert. Gefährlich wird Religion, wenn ihre Vertreter die Heiligen Schriften nicht hinterfragen und keine Diskussion darüber zulassen, was die Texte meinen. Wenn nicht mehr nach dem Sinn der religiösen Vorschriften gefragt wird.

Heute ist Weltfriedenstag der Vereinten Nationen, der UNO. Vor 35 Jahren (21.09.1981) rief die UN-Generalversammlung den 21. September als Weltfriedenstag aus. Und seit 2004 ruft der Ökumenische Rat der Kirchen dazu auf, diesen Tag zu einem internationalen Tag des Gebets für den Frieden zu machen.

 

„Nach fürchterlichen Kriegen – auch im Namen Gottes – haben wir in Europa gelernt, dass es keine Alternative zum Frieden gibt.“[1], sagt der evangelische Theologe Wolf von Nordheim. Sein „Medikament“ gegen Gewalt aus Glauben: „Man nehme zu gleichen Teilen absolute Gottesliebe und Feindesliebe als konzentrierte Nächstenliebe.“ Und die befähigt zum Dialog.

 

Der Ökumenische Rat der Kirchen bietet genau das an: Gespräch und Gebet. Nicht gegen, sondern innerhalb der Religionen und mit ihnen. Denn Religion selbst ist ja nicht schlecht. Soziologisch gesehen „bannt“ Religion die Macht des Bösen. Sie gibt Anteil an der Macht des Guten und am Ewigen. Sie stiftet Gemeinschaft. Religion nimmt Ängste und das Gefühl, die Wirklichkeit sei undurchschaubar, indem sie Halt und Hoffnung gibt – über das Sichtbare hinaus.[2]

Der Ökumenische Rat der Kirchen ruft für heute am Weltfriedenstag zum Gebet für den Frieden auf – und er führt selbst immer wieder den Dialog der Konfessionen und Religionen. So wie der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer. Der hatte sich 1932 als Jugendsekretär des „Weltbundes für Freundschaftsarbeit der Kirchen“, einem Vorläufer des Ökumenischen Rates, entschieden für die Ächtung des Krieges und für das Recht zur Kriegsdienstverweigerung ausgesprochen.[3] „Die Ordnung des internationalen Friedens ist heute Gottes Gebot für uns.“[4] Das war seine Prämisse. Ihn trieb um, was man für den Frieden tun könnte. Und so korrespondierte Bonhoeffer mit Mahatma Gandhi. Er wollte von ihm etwas über Geist und Methoden des gewaltlosen Widerstands lernen. Gandhi, der sich für Versöhnung von Hindus und Muslimen einsetzte, lud Bonhoeffer nach Indien ein. Zu dieser Reise kam es dann nicht mehr. Bonhoeffer wurde später von den Nazis inhaftiert und hingerichtet.

Wer das Gespräch sucht, lernt voneinander und übereinander. In unserer christlich geprägten und demokratischen Gesellschaft gibt es viele verschiedene Religionen und Konfessionen genauso wie Religionslose. Das nimmt die Angst vor der Macht einzelner Gruppen. Sechzig Prozent, also fast zwei Drittel der Deutschen sind Christen und das Christentum setzt sich aus unterschiedlichen Konfessionen zusammen. Auch der Islam in Deutschland ist keine einheitliche Gruppierung. Sechs Prozent der Bundesbürger sind muslimischen Glaubens, das sind fünf Millionen oder etwa jeder 16. Bundesbürger.[5] Sie gehören verschiedensten Gemeinden und Richtungen an. Viele sind auch gar nicht Mitglied in einer Gemeinde.
Das Gespräch suchen mit den verschiedensten Religionsvertretern in Deutschland. Über das, was die Religionen zum Frieden beizutragen haben. Das ist eine große Aufgabe.

 

Als Christin setze ich meine Hoffnung dabei auf Gott, von dem der Prophet Jeremia sagte:

 

„So spricht Gott:

Ich weiß wohl,

welche Gedanken ich über euch habe:

Gedanken des Friedens und nicht des Leides,

dass ich euch gebe

Zukunft und Hoffnung.“

(Jeremia 29, 11)

 

Zukunft und Hoffnung – Friede für Menschen aller Religionen und für die ohne Religion. Das ist das verbindende Ziel.

 

[1] Powerpoint-Folien zum Vortrag: Bedroht uns der Islam? – Ängste benennen, Kenntnisse erweitern, Feindbilder überprüfen, das Andere besser verstehen und dann aus Kraft des Glaubens gemeinsam den Weg zum Frieden gehen; Wolf von Nordheim. Lüneburg 07.09.2016.

[2] Ebd.

[3] Pfälzisches Pfarrerblatt: Dietrich Bonhoeffer – der Entscheidungsweg eines lutherischen Christen von Paul Gerhard Schoenborn, Dellbusch 298, 42279 Wuppertal

http://www.pfarrerblatt.de/text_240.htm

[4] Ebd.. Anmerkung 9 : DBW Band 11 „Ökumene, Universität, Pfarramt 1931 – 1932“, Gütersloh 1994, S. 338.

[5] Zahlen Christentum Deutschland: https://www.ekd.de/statistik/mitglieder.html

Zahlen Islam Deutschland: http://www.br.de/nachrichten/islam-report-dokthema-100.html

„Etwa fünf Millionen Muslime leben derzeit in Deutschland. Das sind gerade einmal sechs Prozent der Bevölkerung.“

20.09.2016
Pfarrerin Petra Schulze