Schlechte Gesellschaft im Himmel?

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Schlechte Gesellschaft im Himmel?
21.01.2017 - 10:00
05.02.2017
Pfarrerin Angelika Obert
Über die Sendung

Welchen Menschen begegnen wir nach dem Tod? Und was bedeutet das für unser Leben? Angelika Obert denkt darüber nach.

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Menschen, die ich nicht mag

„Nicht wahr, Herr Professor, im Himmel werden wir alle unsere Lieben wiedersehen?“ Die Frage ging an den berühmten Theologen Karl Barth. Er antwortete: „Ja. Aber die anderen auch.“ Es ist nicht überliefert, ob die Fragestellerin von dieser Antwort getröstet oder irritiert war.

So verlockend ist die Vorstellung ja nicht, im Himmel herrsche ein ewiges Betriebsfest mit allen Vorgesetzten und Kollegen, die ich gar nicht immer auf der Pelle haben möchte. Oder ich müsste in Ewigkeit mit Schwiegermutter und Schwager, mit meines Mannes Ex und meinem Verflossenen auf einer Wolke sitzen. Das wäre doch nicht gerade himmlisch.

Aber es ist auch nicht befürchten, dass im „Himmel“ nichts weiter stattfinden soll als eine unendliche Fortsetzung der irdischen Reibereien. Wenn vom Himmel die Rede ist, kann Hölle nicht drin sein. Im Himmel gibt es keine Vorbehalte und die alten Geschichten, die wir auf Erden mit uns rumschleppen, können da keine Rolle mehr spielen. Wenn „die andern“ auch da sind, womit zu rechnen ist, dann sollen wir wohl annehmen, es könnte einmal so sein, dass wir uns nicht gegenseitig im Weg stehen und auf die Nerven gehen. Es gäbe die kleinen und großen  Konkurrenzen und Verfeindungen einfach nicht mehr.

Zugegeben, es ist nicht ganz einfach, an so eine Verwandlung zu glauben, wenn ich mir vorstelle, dass ich in der Ewigkeit gerade neben meiner Lieblingsfeindin zu sitzen komme. Aber wenn ich den Himmel als Gottes Reich ernst nehme, dann ist es trotzdem richtig zu wissen: Sie gehört dazu. Alles, was zwischen uns steht, ist in Gottes Wirklichkeit nicht so wichtig, wie es mir vorkommt. Es wird sich auflösen.

 

Gottes Wirklichkeit soll hier beginnen

Ich finde es nicht verkehrt, mir diesen Himmel, in dem ich es gut auch mit „den andern“ aushalten kann, mal ganz naiv auszumalen. Dabei will ich gar nicht darüber spekulieren, was nach dem Tod kommt. Ich will nur ernst nehmen, was gemeint ist, wenn es im Vaterunser gleich am Anfang heißt: „dein Reich komme“. Da geht es doch um die Bitte, Gottes Wirklichkeit möge unter uns wahr werden, nicht erst im Jenseits. Himmel also, keine Grenzen für das gegenseitige Verstehen, Versöhnung, Frieden, Gerechtigkeit sollten wahr werden. Nicht dass wir es machen könnten, aber wenn wir darum beten, tun wir kund, dass wir daran glauben und dass dieser Glaube unser Denken und Tun bestimmen soll. Wer also „dein Reich komme“ murmelt, müsste schon wissen, dass auch auf Erden „die andern“ dazugehören sollen und nicht nur „unsere Lieben“.

 

Zuerst die Andern

Für Jesus sind es wirklich alle andern. So sagt er es im biblischen Wochenspruch für den 3. Sonntag in der Epiphaniaszeit: „Es werden kommen von Osten und Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes“. (Lukas 13,29)

In der großen Tischgemeinschaft Gottes sitzen nicht nur Schwiegermutter und Ex mit am Tisch, sondern auch die Geflüchteten aus allen Himmelsrichtungen. Jesus hat offenbar ein interkultkurelles, multireligiöses himmlisches Fest vor Augen.

Und er geht sogar noch weiter als Karl Barth. Er sagt nicht: „Die andern auch.“ Er behauptet: „Zuerst die Andern.“ Denn in seinem Gleichnis vom 'Seligwerden im Reich Gottes' gibt es auch welche, die erst einmal vor der Tür bleiben. Das sind diejenigen, die allzu sicher sind: Der Himmel ist für uns und unsere Lieben bestimmt. Wir sind die Berechtigten.

Gerade sie klopfen vergeblich an die Himmelstür - so Jesus. Sie haben Gottes Wirklichkeit nicht verstanden, sie finden keinen Zugang zu ihr. Darum bleiben sie da, wo in der Sprache der Bibel „Heulen und Zähneklappern“ herrscht, man könnte wohl übersetzen: Angst und Abwehr, Verteufelung, Schuldzuweisung, Hass... Was eben alles zur Hölle gehört.

Ja sagen auch zu den andern, die nicht unsere Lieben sind – das ist es, was uns dem Himmel näher bringt.

05.02.2017
Pfarrerin Angelika Obert