Bei Liebe darf man nicht sparen

Wort zum Tage
Bei Liebe darf man nicht sparen
12.04.2017 - 06:20
10.04.2017
Pfarrer Michael Becker

Seine Sehnsucht ist groß. Sein Mut noch größer. Am größten aber ist sein Leichtsinn. Vor einigen Wochen setzt sich ein 12-jähriger ins Auto seiner Eltern, nimmt seinen Freund mit und fährt zu Oma und Opa. Weil er große Sehnsucht nach ihnen hat. Der Junge wohnt in Zwickau in Sachsen, Opa und Oma wohnen in Bamberg in Bayern. Das sind gut 200 Kilometer. Mit 12 Jahren fährt er über Stock und Stein, sozusagen. Vor allem über die Autobahn. Die Eltern erschrecken, als der Junge nicht zuhause ist. Das Auto ist auch weg. Sie melden es der Polizei. Die Großeltern melden auch etwas. Nämlich, dass der Junge heil bei ihnen ankommen ist. Umgeben von unzähligen Schutzengeln. Über Nacht können der Junge und sein Freund bei Oma und Opa bleiben. Wegen der Sehnsucht. Was für ein Leichtsinn.

 

Und was für eine Liebe. Wäre der Schreck nicht groß und der Leichtsinn nicht so riesig, müsste man weinen und lachen vor Freude. Wo gibt’s denn das: So eine Liebe. Die unbedingt zu Oma und Opa will. Bitte nicht nachmachen, den Leichtsinn. Die Liebe aber schon. Die soll man nachmachen. Immer. Da darf man nie sparen. Kinder und Eltern nicht, Großeltern auch nicht. Familie kann schön sein, wenn man sich achtet. Einander nicht verurteilt, aber wert schätzt. Unter allen Umständen die Türen offen lässt. Bei Tag und bei Nacht. Man muss nicht verwandt sein. Familie ist immer, wenn man hingeht, weil‘s schön werden soll. Oder weniger schwer. Familie soll sein, wo man nicht mit allem einverstanden sein muss, bloß nicht. Aber einander verstehen will. Was gibt‘s Schöneres als Enkel, die es zu Opa und Oma drängt. Die sonstwas auf sich nehmen, um bei Nacht und Nebel in ihre Arme zu kommen. Wegen der Liebe. Nach dem Schreck haben sich alle beruhigt, heißt es. Und gut geschlafen.

 

Leichtsinn bleibt Leichtsinn und ist gefährlich. Liebe bleibt Liebe und ist zum Staunen; ist ein Geschenk. Immer wieder. Liebe erfindet man nicht. Die schenkt Gott denen, die darum bitten. Und alles tun würden für die Liebe.

 

Selbst Dummheiten. Die dann gut ausgehen. Hoffentlich. Liebe ist Gott, höchstpersönlich. Hier vertreten durch Oma und Opa.

10.04.2017
Pfarrer Michael Becker