Besser als gar kein Wetter

Wort zum Tage
Besser als gar kein Wetter
19.01.2017 - 06:23
16.01.2017
Pastor Diederich Lüken

Beim Aufschlagen des Gesangbuches unter der Rubrik Morgenlieder fällt eines auf: Die Liederdichter preisen ausnahmslos die aufgehende Morgensonne; sie sind allesamt positiv eingestimmt auf den neuen Tag und loben ihren Schöpfer, dass sie erleben, wie die Sonnenstrahlen die Nacht vertreiben. „Die güldene Sonne voll Freude und Wonne“ ist so ein Lied, oder: „Die helle Sonn leucht jetzt herfür, fröhlich vom Schlaf aufstehen wir“. Ein Blick in die weltlichen Gedichtsammlungen zeigt: Da ist es nicht sehr anders. Ob Gryphius, Eichendorff oder Ingeborg Bachmann: Die Sonne geht auf und die Menschen jauchzen. Da stellt sich doch die Frage: Gab es irgendwann einmal keinen Januar mit seiner langen Dunkelheit am Morgen?

 

Tief hängen die Wolken an einem trüben Himmel, ein feiner Nieselregen feuchtet die Luft, die nasse Kälte dringt durch alle Kleidungsstücke, es schaudert einem, wenn man nur daran denkt. Und in diesem Wetter muss man hinaus und zur Arbeit. Die Lichter in Straßenbahn und Bus brennen trüb, und die Köpfe der Mitfahrenden schaukeln mit geschlossenen Augen leicht hin und her, weil sich alle noch ein Viertelstündchen Schlummer während der Fahrt gönnen wollen. Andere sitzen in ihren Autos und fluchen über den allmorgendlichen Stau oder nehmen ihn gelassen hin, weil sie endlich Zeit haben, in aller Ruhe ihr Brötchen zu kauen und ihren Kaffee aus der Thermotasse zu schlürfen. Aber ansonsten ist so ein trüber Januarmorgen absolut kein Grund zum Jauchzen, sondern fördert eher Trübsinn und Melancholie. Der einzige Trost, der diese deprimierende Stimmung aufhellen könnte, wäre der Telefonanruf: Die Firma macht heute Pause, bleib zu Hause und gönne dir ein spätes Frühstück. Aber diese Nachricht kommt nicht, der Weg durch die Dunkelheit und kalte Nässe des frühen Januarmorgens ist unausweichlich. Schade, dass es keinem Liederdichter eingefallen ist, auch für einen solchen Morgen Gott zu preisen. Grund genug dafür gibt es. Wenn man im Ruhrgebiet über das Wetter schimpft, bekommt man oft zur Antwort: „Besser als gar kein Wetter!“ Das trifft den Nagel auf dem Kopf. Die Welt besteht weiter, Gottes Liebe zur Welt besteht weiter, und ich bestehe auch noch. Auch heute habe ich die Chance, Neues zu entdecken und Freude zu erleben, Menschen zu treffen, mein Bestes zu geben. Auch für diesen Tag gilt, was der Theologe Ernst Lange so beschreibt: „Dies ist der Tag, den der Herr gemacht: Morgen und Mittag und Abend und Nacht. Gottes Tag sei gelobt.“ Er mag aussehen wie er will: danken wir Gott dafür, dass er auch diesen Morgen gibt!

16.01.2017
Pastor Diederich Lüken