Ein Rechenwunder am Welthungertag

Wort zum Tage
Ein Rechenwunder am Welthungertag
15.10.2016 - 06:23
15.10.2016
Pfarrerin Christina-Maria Bammel

Fünftausend Menschen sind gekommen, erzählt die Bibel. Es ist spät geworden. Und alle haben Hunger. Die Jünger Jesu sehen die Not und raten: Dann muss man die Menschen nach Hause schicken.  Geht zurück dahin, woher ihr gekommen seid. Wir können nicht für alle sorgen. Wer könnte es den Jüngern verdenken, dass sie pragmatisch sind und besorgt? Zu viel Verantwortung. Aber dann geschieht etwas. Einer bietet etwas vom Vorrat an, der in  seiner Tasche steckt. Er ist noch ein Kind.  Der Junge und Jesus tauschen einen Blick aus. Sie  ahnen, wie Wunder beginnen. Rein rechnerisch bleibt es dabei: Sie können nicht alle satt kriegen. Aber das Mahl beginnt trotzdem, und alle werden satt.
Morgen am Welternährungstag wird  daran erinnert,  dass  sie noch  im Argen liegt, die ausreichende Ernährung in der Welt.  Viele der 28 Millionen Minderjährigen, die gerade fliehen, haben noch weniger in ihren Taschen als der Junge in der biblischen Geschichte. Kinder flüchten, weil das Brot nicht reicht, die Felder in Krieg oder Dürre vernichtet sind, weil ihre Eltern, die Kleinbauern sind, von Jahr zu Jahr hungern. Man kann die Verantwortung zurückgeben wie die ratlosen Jünger. Wer kann schon was ausrichten, wenn auf unserem Planeten jeder neunte Mensch hungert. Wer kann etwas ausrichten gegen die milliardenschweren Konzerne, die sich den Saatgutmarkt aufteilen und Preise hochtreiben?  Wir wissen es längst: Weltweit wird genügend Nahrung für alle produziert!

Wir wissen: wo Ernten knapp und schlecht sind, gibt es Ursachen.  Eins lässt sich genau sagen: Die Ursachen für den Hunger in der Welt sind auf der Seite des Menschen zu suchen, nicht auf der Seite der sich uns schenkenden Schöpfung. Aber das Konto unserer Schöpfung ist überzogen. Wir übernutzen die Ressourcen.

Doch bei richtiger Nutzung und fairer Verteilung wäre genug für alle vorhanden. Es ist genug Brot für die Welt da.  

Wieder kommen, wie in der biblischen Geschichte, Menschen zusammen. Sie schließen die Türen der alten Kirche auf, stellen dort, wo einmal lange harte Kirchenbänke standen, Tische und Stühle, decken sie fein ein. Mehrmals im Jahr findet sie statt - die bundesweiteAktion unter dem Motto „essenswert“. Menschen, die sich dafür engagieren, sie setzen darauf, dass Freiwillige aller Generationen in der Gemeinschaft den Wert des miteinander Geteilten neu entdecken können. Auch (hier) in Berlin. Das Mitgebrachte und Gespendete wird gemeinsam verarbeitet. Am Ende werden mehrere Hundert Menschen zu Gast gewesen sein. Wer nicht sesshaft ist, wessen Kühlschrank schon seit der Mitte des Monats leer ist, wer einfach nicht allein essen mag, alle sind sie willkommen. Mit einem Mal hat es einen neuen Geschmack, dieses geteilte Brot. Wunderbar: Es schmeckt nach Gemeinschaft und Leben.

15.10.2016
Pfarrerin Christina-Maria Bammel