Kerzentiere

Wort zum Tage
Kerzentiere
10.12.2016 - 06:23
02.12.2016
Pfarrerin Kathrin Oxen

Bis jetzt sind es 159 Stück. Regenwurm, Lama, Löwe und Pferd, sehr große, mittlere und auch ganz kleine Tiere. Sie haben eines gemeinsam: Alle tragen eine Kerze. Die meisten haben sie auf dem Kopf. Einige balancieren sie auf dem Rücken liegend mit den Füßen. Andere schleppen sich richtig damit ab. „Kerzentiere“ nennt die Künstlerin Melanie Garanin sie.

Auf dem Kalenderblatt des „Anderen Advent“-Kalenders für heute ist ein Huhn von Melanie Garanin zu sehen. Es hat den Kopf unter den Flügel gesteckt und sieht mich gerade noch mit einem Auge an. Im Flügel hält es eine Kerze. Was mich auf den ersten Blick ein bisschen an die bunten Kinderbücher von Pettersson und Findus erinnert hat, hat einen sehr traurigen Hintergrund.

Melanie Garanin malt die Kerzentiere erst, seit ihr kleiner Sohn gestorben ist. Sie hätten seitdem fast überall Kerzen dabei, um sie zur Erinnerung an ihren Sohn anzuzünden, schreibt sie in ihrem Blog. Die Idee zu den Kerzentieren ist ihr gekommen, als sie einmal einem ihrer Pferde spontan eine Kerze auf den Kopf setzte.

Melanie Garanin erzählt sehr anrührend von ihren Gefühlen nach dem Tod ihres Sohnes. Über den Schmerz und die Traurigkeit und darüber, dass das Leben mit ihrem Mann und ihren drei anderen Kindern trotzdem weitergehen muss. „Wir werden immer traurig sein“, hat sie zu ihrem Mann gesagt. „Aber lass uns bitte nicht immer unglücklich sein!“

Die Kerzentiere mühen sich ab. In allen möglichen und unmöglichen Haltungen müssen sie ihre Kerze tragen. Sie strengen sich sichtbar an und sie sehen nicht immer ganz glücklich aus dabei. So wie das Huhn auf dem Kalender, das mich nur mit einem Auge so ängstlich anschaut. Aber irgendwie schaffen die Kerzentiere es doch. Ihre Kerze leuchtet, trotz allem. Ein zartes, ehrliches und hoffnungsvolles Bild für die Trauer. Es hat mich sehr berührt.

Morgen ist der Weltgedenktag für verstorbene Kinder. Menschen, die ein Kind verloren haben, zünden eine Kerze an und stellen sie am Abend ins Fenster. Seit 20 Jahren geht so eine Welle des Lichtes um die Welt, immer am zweiten Sonntag im Dezember. In all dem Kerzenschein in der Adventszeit fällt das Licht für die verstorbenen Kinder gar nicht so sehr auf. Aber die Trauernden wissen, was es bedeutet. Ich werde morgen besonders an sie denken.

02.12.2016
Pfarrerin Kathrin Oxen