Kreuze aus Nägeln

Wort zum Tage
Kreuze aus Nägeln
14.11.2015 - 06:23
25.06.2015
Militärdekan Dirck Ackermann

Es beginnt mit einem schweren Luftangriff, heute, genau vor 75 Jahren. Am Abend des 14. November 1940 startet die deutsche Luftwaffe die sogenannte „Operation Mondscheinsonate“. 515 Flugzeuge bombardieren die mittelenglische Industriestadt Coventry. Um 20 Uhr steht die Kathedrale St. Michael’s in Flammen. Zunächst kann der Brand erfolgreich durch die Feuerwehr bekämpft werden. Doch weitere Angriffe entfachen ihn erneut. Am Ende der Bombennacht ist die mittelalterliche Kirche weitgehend zerstört, mit ihr große Teile der Innenstadt. Hunderte von Menschenleben sind zu beklagen.

An den folgenden Tagen beginnen in Coventry die Aufräumarbeiten, auch in St. Michael’s. Der Dachstuhl der Kathedrale ist völlig niedergebrannt. Auf dem Boden liegen zahllose Zimmermannsnägel, die das Dach zusammengehalten haben. Da kommt dem Domprobst der Gemeinde eine Idee. Er nimmt drei große Zimmermannsnägel und lässt daraus ein Kreuz zusammensetzten, ein Nagelkreuz. Außerdem lässt er die Worte „Vater vergib“ in die Chorwand der Ruine meißeln. Zusätzlich wird aus zwei verkohlten Holzbalken ein großes Kreuz zusammengesetzt.

 

Zwei Kreuze, gebaut aus den Überresten einer zerstörten Kirche, und zwei Worte: „Vater vergib“. Sie sollen zu Symbolen werden für Versöhnung und Frieden. Mit der zerstörten Kirche und Hunderten von Toten vor Augen findet der Pfarrer von Coventy zu der Erkenntnis: Der Ruf nach Vergeltung wird nur den tödlichen Kreislauf von Gewalt und Gegengewalt fortsetzen. Das ist der Beginn einer großen Versöhnungsbewegung: der sogenannten Nagelkreuzgemeinschaft.

Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs, nach der Zerstörung weiterer Städte und Kirchen und dem Tod unendlich vieler Menschen, werden im Zeichen des Nagelkreuzes weitere Schritte zur Versöhnung getan. Solche Kreuze aus den Nägeln von Coventry stehen dann auch in Deutschland, so in den Ruinen der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche oder der Nikolaikirchen in Hamburg und Kiel. Heute gibt es sie in mehr als 150 Kirchen weltweit, auch in der wieder aufgebauten Frauenkirche in Dresden. Das Nagelkreuz als Zeichen der Versöhnung und des Friedens.

 

An jedem Freitagmittag um 12:00 Uhr wird in diesen Kirchen das Versöhnungsgebet gesprochen, sei es in Dresden, in Berlin oder in Coventry selbst. Im Zentrum des Gebets stehen diese beiden Worte „Vater vergib!“ Für mich ein Hinweis: Wir Menschen sind auf Vergebung und Versöhnung angewiesen, wenn wir Schritte auf dem Weg zum Frieden machen wollen. Gut, Zeichen und Worte zu haben, die das ausdrücken!

25.06.2015
Militärdekan Dirck Ackermann