Nicht der Hauch eines Zweifels

Wort zum Tage
Nicht der Hauch eines Zweifels
15.08.2016 - 06:23
15.08.2016
Pfarrer Michael Becker

Bei aller Liebe – ob Maria wirklich in den Himmel gefahren ist, wie der Tag heute im katholischen Kalender sagt: Maria Himmelfahrt? Verdient hätte es die Gottesmutter, das jüdische Mädchen, das früh schwanger wird vom Heiligen Geist, wie es heißt, und dann den Heiland zur Welt bringt. Also den, der uns heilen will vom Schmerz, alleine zu sein in der Welt. Verdient hätte es Maria, von der in der evangelischen Kirche zu wenig zu hören ist. Man singt kaum Lieder und hört nichts von ihr außer an Weihnachten. Eine Ausnahme ist heute, am Tag ihrer Himmelfahrt.

 

Dabei heißt der Tag genau genommen gar nicht „Himmelfahrt der Maria“, sondern „Aufnahme in den Himmel“. Das ist ein Unterschied. Maria tut nichts; ihr wird getan. Sie war und bleibt Mensch, Ehefrau des Josef, Mutter einiger Kinder. Ihren ersten Sohn sieht sie am Kreuz sterben und ist entsetzt. Ein Gottessohn passt nicht ans Kreuz, denkt sie. Wie wir oft. Maria steht daneben und versteht nichts. Bei aller Liebe – was soll das? Das geht doch nicht. Es geht aber doch, wie Maria drei Tage später erfährt. Der Tote lebt. Die eben noch zu Tode betrübten Verwandten und Freunde jubeln. Sie fassen es nicht, freuen sich aber. Maria mittendrin, jetzt etwa fünfzig Jahre alt. Sie ist nichts Besonderes, sie altert wie alle Männer und Frauen. Vielleicht ist sie schon Witwe, als Jesus stirbt und auferweckt wird. Rente hatte sie keine. Kinder und Freunde versorgen sie.

 

Später erst erzählt man, dass bei Maria etwas doch anders war. Anders als bei vielen, die an Gott glauben und zweifeln. Bei aller Liebe hat Maria eine unbändige Hoffnung. Gott ist alles für sie. Sogar das Schwere. Er lässt mich nie alleine, weiß Maria, er liefert mich nicht der Welt aus. Im Gegenteil. Gott erhebt die Niedrigen. Davon ist Maria überzeugt. Hat nicht den Hauch eines Zweifels. Singt davon in dunklen Stunden. Gott, uns oft ein Rätsel, ist ihr mehr als Gott. Er ist ihr Freund und Gefährte. Als säße der neben ihr am Tisch, hörte ihr zu, legte seine Hand auf ihre und nähme sie in den Arm. Immer. Erst recht, wenn sie weint.

 

Maria hat diese unbändige Hoffnung. Gott sieht mich, denkt an mich, hebt mich vom Boden auf, glaubt sie in ihrer Engelsgeduld. Dafür sollte man schon in den Himmel kommen.

15.08.2016
Pfarrer Michael Becker