Von Angstmachern und Stärkeren

Wort zum Tage
Von Angstmachern und Stärkeren
26.05.2018 - 06:20
07.03.2018
Eberhard Hadem
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In Deutschland haben Ängste und Gefühle der Bedrohung Hochkonjunktur. Ich will sie ernstnehmen, ihnen aber auch etwas entgegensetzen. Denn wer sich von Angst leiten lässt, ist auch der Gefangene seiner Angst. Er will es oft nur nicht wahrhaben. Jesus hat das Phänomen einmal in einem Gleichnis beschrieben:

 

Wenn ein Starker gewappnet seinen Palast bewacht, so bleibt, was er hat, in Frieden. Wenn aber ein Stärkerer über ihn kommt und überwindet ihn, so nimmt er ihm seine Rüstung, auf die er sich verließ, und verteilt die Beute.   (Luk. 11, 21-22)

 

Im Bild weiter gesprochen: Wer sich von seiner Angst bestimmen lässt, hat Mauern um sich und sein Herz gebaut, er hat ein Bollwerk an Fakten und Wahrheiten aufgerichtet, die für ihn allgemein gültig sind. Gut gerüstet verlässt sich darauf und glaubt, er sei im Frieden mit sich selbst. Was ihm aber wie ein wehrhafter Palast erscheint, ist in Wahrheit ein Gefängnis seiner Angst.

 

Ein Bekannter von mir hat es so erlebt: Beruflich erfolgreich, nette Familie, zwei Autos. Dann wurden die Überstunden immer mehr, Stress, Überarbeitung. Doch er tat weiter so, als habe er alles im Griff. Noch hielt das Bollwerk, noch stand er, der Palast. Noch war das Gefühl da, Herr im eigenen Haus zu sein. Bloß die Kontrolle behalten! Aber irgendwann war ihm alles egal: die Arbeit, die Familie, er sich selbst. Alles sei irgendwie über ihn gekommen, meinte er. Er sah sich ausschließlich als Opfer, umgeben von böswilligen Menschen und schlechten beruflichen Bedingungen.

 

Nur langsam, Schritt für Schritt, konnte er sich der Wahrheit stellen: Er selbst hatte Entscheidungen getroffen – und sie als beruflich notwendigen Zwang für sich akzeptiert. Und dabei war er immer weiter in eine Schräglage geraten, für die er insgesamt nicht allein verantwortlich war; ganz bestimmt nicht! Aber er hatte sich darin verstrickt, im Machen und Zulassen. Irgendwann hatte er nur noch funktioniert. Erst als er begann, sich nicht mehr nur als Opfer zu sehen, veränderte sich etwas. Das Stärkere war eine Mischung aus einem Freund, einer Therapie, der Bereitschaft, sich selbst zu besinnen, um schrittweise den Mut zu fassen, sich zu überwinden.

 

So verstehe ich das Bild Jesu vom Starken und vom Stärkeren: Er will zeigen, dass jeder Mensch befreit und erlöst werden kann aus seinem Bollwerk, das ein Gefängnis ist. Dazu braucht es einen Stärkeren, der den vermeintlich Starken von seiner Blindheit befreit – Jesus sagt: der ihn überwindet –, damit er sich selbst erkennen kann, wie er geworden ist. Und nicht, wie er sich gerne sehen möchte. Von solcher Blindheit kann ich nur erlöst und befreit werden. Wo das geschieht, sagt Jesus, ist das Reich Gottes nahe.

07.03.2018
Eberhard Hadem