Vorbei, vorbei...

Wort zum Tage
Vorbei, vorbei...
07.01.2017 - 06:23
29.12.2016
Pfarrerin Kathrin Oxen

Heute fliegt der Tannenbaum raus. Denn heute ist der ideale Tag dafür. Bis zum 6. Januar, dem Dreikönigstag, lässt man ihn ja oft noch stehen, jedenfalls, wenn er nicht zu viel Platz wegnimmt oder allzu stark nadelt. Aber heute wäre wirklich ein guter Tag, um ihn rauszuschmeißen. Schließlich ist Samstag und von daher genug Zeit, die Tannennadeln aus dem Teppich zu klauben und den Tannenbaumschmuck wieder im Keller zu verstauen.

In jedem Jahr denke ich dabei an das Märchen vom kleinen Tannenbaum von Hans Christian Andersen. Es endet auch an einem kalten Januartag:

„Im Hof spielten ein paar der lustigen Kinder, die zur Weihnachtszeit um den Baum getanzt hatten und über ihn so froh gewesen waren. Eines der Kleinsten eilte hin und riss den Goldstern ab. Und der Hausknecht kam und hackte den Baum in kleine Stücke, prächtig flammte das auf und dann war der Baum ausgebrannt. Die Jungen spielten im Hof, und der Kleinste hatte den Goldstern auf der Brust, den der Baum an seinem glücklichsten Abend getragen hatte. Nun war der vorbei, und der Baum war vorbei und die Geschichte auch! Vorbei, vorbei, und so geht es mit allen Geschichten!“

Der kleine Baum aus Dänemark teilt das Schicksal aller Tannenbäume. Vom strahlenden Mittelpunkt im Weihnachtszimmer zum Entsorgungsfall, von der kurzen Zeit in Pracht und Herrlichkeit zu trockenen Nadeln und letzten Lamettafäden auf der Straße im kalten Januarwind. Vorbei, vorbei, nur noch wenige Tage, dann gilt das wieder für all die Tannenbäume, die als Kompost geschreddert werden oder bestenfalls noch als Futter für Elefanten Verwendung finden.

Wir werden ja nicht müde, in jedem Jahr die grünen Bäume in unsere Wohnungen zu tragen. Wir werden auch nicht müde, sie in jedem Jahr wieder abzuschmücken und raus auf die Straße zu werfen. Aber manchmal, nach Weihnachten, an den kalten dunklen Tagen, die dann noch kommen, werden wir doch ein bisschen müde. Weil alles vertrocknet und vergeht und nichts übrig bleibt, von Weihnachten nicht und sonst auch nicht?

Vorbei, vorbei, so geht es mit allen Geschichten, nur nicht mit den Geschichten, die von Gott erzählen. Da gibt es neue Anfänge. Vorbei, vorbei, das gibt es nicht mit mir, lässt Gott immer wieder ausrichten. Und es bleibt auch nicht alles beim Alten, sondern die Verhältnisse ändern sich. Was am Boden lag, wird aufgerichtet, das Niedrige wird hoch, das Vertrocknete fängt an zu blühen.

Heute fliegt der Tannenbaum raus? Nein. Ich lasse ihn noch stehen.

29.12.2016
Pfarrerin Kathrin Oxen