Aufstand der Frustrierten

Dr. Wolfgang Beck

Foto: Julia Feist

Dr. Wolfgang Beck

Aufstand der Frustrierten
Pfarrer Dr. Wolfgang Beck
12.11.2016 - 23:30

Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer,

„es ist zum Davonlaufen“, diese und ähnliche Reaktionen waren nach der Wahl in den USA zu hören. Welche politischen Entscheidungen sind zu erwarten? Welche wirtschaftlichen, diplomatischen und militärischen  Auswirkungen hat die Wahl? Die Frage ist: Wie kann es passieren, dass ein demokratisches System parteiübergreifend so schwache Kandidaten nach oben bringt?

Schon bei der Brexit-Entscheidung in Großbritannien und ihren populistischen Vertretern gab es ungläubiges Kopfschütteln: Wie konnte das passieren? Es gibt populistische Bewegungen in Ungarn und Polen, exzentrische Präsidenten in Rußland und der Türkei. Gründe zum Kopfschütteln gibt es derzeit wirklich genug. Und auch hierzulande kennen wir die Frustrationen und Enttäuschungen vieler Bürger und die fatale Haltung, es „denen da oben“ jetzt bei einer Wahl „mal so richtig zu zeigen“.

Kein Wunder, dass da viele schon mit Grauen an die Bundestagswahl im nächsten Jahr denken. Wird es da viele Bürger geben, die meinen, mit der Wahl ihren grundsätzlichen Protest ausdrücken zu müssen? Natürlich lässt sich die Situation in den USA nur schwer mit Deutschland vergleichen. Aber wenn ich an die Bilder von hasserfüllten Protestierern bei den Dresdner Feierlichkeiten am 3. Oktober oder bei manchen anderen politischen Kundgebungen denke, kann ich mir natürlich vorstellen, wie aussichtslos viele Menschen ihre Lebenssituation empfinden.

Da gibt es Langzeitarbeitslose, die den Eindruck vermittelt bekommen, dass sie schon aufgegeben worden sind. Da gibt es Angestellte bei Zeitarbeitsfirmen, die wie ein Gegenstand hin und her verschoben werden. Da gibt es viele, die trotz einer Vollzeitstelle auf finanzielle Hilfe angewiesen sind und „aufstocken“ müssen. Und in solchen Situationen sich noch sagen lassen, dass sie für die Rente selbst vorsorgen sollen? Gleichzeitig müssen sie erleben, dass bei Banken auch bei offensichtlich schlechter Arbeit horrende Gehälter gezahlt werden! Das sitzt tief und erzeugt Frust.  Schnell entsteht der Eindruck, dass „die da oben“, die sich für Eliten halten, sich nicht einmal vorstellen können, wie schwer das Leben auch in unserem Land für viele ist.

Mit solchen Empfindungen umzugehen, ist nicht einfach.

Für Trumps Anhänger gab es viele Gründe, ihn zu wählen. Ganz zentral dürfte aber gewesen sein, dass er sich immer wieder an die sogenannten „Vergessenen“ wendet und ihnen eine neue Perspektive verspricht. Diese Versprechen sind politisch wirklich zentral, so sehr sogar, dass sie niemand einfach den Populisten überlassen sollte. Papst Franziskus hat das schon 2013 auf ganz andere Weise allen Menschen in Erinnerung gerufen, indem er von einer „Mentalität“ spricht, die allen Menschen ein Teilnehmen am gesellschaftlichen Leben ermöglicht. Bei Papst Franziskus hat diese Mentalität, bei der möglichst alle zu integrieren sind, absoluten Vorrang vor dem Besitz und Reichtum Einzelner. Bei dem künftigen Präsidenten Trump habe ich in dieser Hinsicht Zweifel. Das muss ich gestehen. Der Ansatz, alle zu integrieren, ist die Alternative zu einem Populismus, der die Frustrationen nur benutzt. Es ist schon eine anspruchsvolle Alternative, die der Papst da aufzeigt, natürlich. Sie erfordert wirklichen Einsatz. Und die Zeit bis zur Bundestagswahl im nächsten Jahr wird kaum reichen alles Notwendige zu tun. Aber sie reicht für erste Schritte, um ein Umdenken zu zeigen. Deshalb hoffnungsvoll:

Einen gesegneten Sonntag!