Das Wort zum Sonntag

Das Wort zum Sonntag
Pastoralreferentin Lissy Eichert
28.05.2016 - 23:35

Guten Abend. Großveranstaltungen wie Katholikentage sind nicht mein Ding. Aber so ein Event ausgerechnet in Leipzig – das hat mich gereizt. Hier, wo nur ein kleiner Teil, gerade mal vier Prozent, der Bevölkerung katholisch ist.

"Ich glaub' nichts, mir fehlt nichts" - sagen mir Menschen, die ganz ohne Gott glücklich sind. Mich irritiert das. Die Frage nach einem höheren Sinn des Lebens stellt sich für viele gar nicht – nicht einmal,  wenn's ans Sterben geht. Eine Leipzigerin erzählt mir: „Solange sich Menschen an mich erinnern, bin ich noch nicht tot. Und wenn sie sich nicht mehr erinnern, ja, dann bin ich eben tot. Ende Gelände.“ Also kein Stress mit der Endlichkeit. Und - zugegeben - einen religiösen Überbau braucht es auch nicht, um ein guter Mensch zu sein.

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Trotzdem behaupten Christen ja gern: Wer nicht an Gott glaubt, dem fehlt was. In Leipzig merke ich: Das stimmt so einfach nicht, und genau das ist zu respektieren. Denn –  diese Anfrage hat mich umgetrieben - wozu ist der Glaube an Gott denn gut, wenn’s auch ohne geht? Der Bedeutungsverlust des Glaubens lässt sich nicht einfach „wegpredigen“.  Auf solche Anfragen wie hier in Leipzig antworte ich: Die Existenz Gottes, also  ob es Gott gibt oder nicht, hängt nicht von mir ab. Es könnte durchaus sein, dass ich sie nur noch nicht wahrgenommen habe. Und was ich nicht kenne, kann ich ja auch nicht vermissen.  

Natürlich kenne ich auch Momente, in denen ich an Gottes Gegenwart zweifele.  Aber Gott glaubt an mich, daran halte ich mich fest. Er lässt mich nicht allein - aus Liebe. Aus Liebe ist Gott selbst Mensch geworden.  Darin liegt für mich die Sprengkraft des Glauben: offen sein für die Liebesgeschichte Gottes mit uns.  Offen für sein Werben um meine Aufmerksamkeit: „Lass dich doch mal ein auf mich, belaste mich mit deinen Sorgen und freu dich über meine Nähe!“  Die Gottesfrage wird in der Praxis beantwortet.

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In der Praxis lässt sich entdecken:  Mit Gott geht einfach mehr.  Ich hab einen längeren Atem, um den anderen nicht zu benutzen, sondern zu achten. Nicht wegzusehen, wo  einer unter die Räuber fällt. Auch das erlebe ich in Leipzig: Wo Christen praktische Lebenshilfe anbieten, sich mit ihren Zielen in gesellschaftlichen Debatten positionieren und wo sie im Glauben die Kraft  finden, „zu lieben, bis es weh tut“ – da werden sie respektiert. Auch mit ihrem Glauben, auch mit ihrem Gott.

Zum Katholikentag wurde vor dem Leipziger Hauptbahnhof eine Kanzel aufgebaut. Die Passanten sind eingeladen: "Geh hoch und sag was Nettes!“ Etwas, dass den Vorbeigehenden ein Lächeln auf‘s Gesicht zaubert, was sie beflügelt. Jede und jeder kann auf die Kanzel steigen und gute Botschaften in die Welt senden. Ja, das möchte ich, auch beim Wort zum Sonntag. Und ich freue mich auf jeden mit oder ohne Glauben, der das genauso tut.

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag.