Das Wort zum Sonntag

Das Wort zum Sonntag
Pfarrer Benedikt Welter
10.09.2016 - 23:30

Einen guten späten Abend, verehrte Damen und Herren.

 

Es gibt so Tage, die sich ins Gedächtnis schreiben.

Tage, von denen ich noch genau weiß, wo ich war und was ich gemacht habe, als mich die Ereignisse erreichten.

Am 11. September 2001 _Nine/Eleven – war ich mit dem Auto in Trier unterwegs, als die erste Meldung von zunächst einem Flugzeug, das ins World-Trade-Center geflogen ist, durchs Radio kam. Ich erinnere mich noch, dass ich rechts ran gefahren bin und den Wagen anhielt. Den Rest des Tages haben wir dann in der Hochschulgemeinde ferngesehen – manchmal nur schweigend, manchmal im Gespräch über das Unglaubliche. Morgen ist das fünfzehn Jahre her.

 

Der 11. September hat vieles verändert. Auch die Sprache von Politikern. Die bekam von diesem Tag an fast religiöse Qualität: Vom „Bösen“ wird seither gesprochen. Von „Achsen des Bösen“ sogar und von noch schlimmeren Dingen.

 

Und seit diesem Tag, so habe ich den Eindruck, beherrscht eine tiefliegende ängstliche Verunsicherung die Welt.   Viele sehen „das Böse“ „immer und überall“.

 

Es gibt aber auch andere Erfahrungen. Zum Beispiel eine Doku  über die 18 Menschen, die das Inferno in den brennenden Stockwerken überlebt haben;  da beschreibt einer, wie ihm das Leben gerettet wurde, Stanley Praimnath: Ein ihm damals Unbekannter, Brian Clark,  hat ihn geführt – durch Qualm und Trümmer hindurch ins Leben zurück. Stanley Praimnath sagt heute: „Es gibt viel mehr gute Menschen als böse.“

 

Für ihn ist das die Lehre aus der selbst erlebten Apokalypse von Nine/ Eleven:

„Es gibt viel mehr gute Menschen als böse!“

Was für eine Aussage. Was für eine Lehre für das ganze Leben, die jemand aus einer solchen Katastrophe für sich mitnimmt.

 

Ich denke, DIESE Wirklichkeit muss heute, fünfzehn Jahre später, genauso deutlich gesagt werden. Gerade weil heute (gefühlt) überall „das Böse“ lauert.  In jedem herrenlosen Koffer, aus jeder Gruppe von fremdländisch aussehenden Jugendlichen könnte es herausbrechen...

 

„Es gibt mehr gute Menschen als böse!“

Es leben Menschen, die – selbst in Not – noch fähig sind, an andere zu denken.

Menschen, die sich nicht unterkriegen lassen in ihrer Menschlichkeit, selbst wenn sie Hass erleiden.

Sie und ich kennen doch vermutlich auch Menschen, die davon überzeugt sind, dass das Gute das Starke ist – auch wenn es schwach erscheint und sich anfühlt.

 

Gedenktage wie der zu Nine/Eleven helfen anerkennen, dass die Wahrheit des Lebens vielschichtig ist. Und zu dieser Wahrheit gehört: Es gibt Böses oder das Böse. Ja, es gibt  sogar abgrundtief Böses, das uns die Sprache verschlägt.

 

Zugleich gibt es das Andere, das selbst diesen Abgrund nochmals unterfängt und trägt.
Und das dürfen wir mit Fug und Recht beim Namen nennen: Es ist das Gute!

 

Das ist kein „Pfeifen im dunklen Wald“.

Ja, auch ich zweifle manchmal an der Durchsetzungskraft des Guten.

 

„ Es gibt mehr gute Menschen als böse.“ – Das zu glauben ist auch für mich manchmal ein innerer Kraftakt.

Aber genau das ist es doch: Das Lebenswerte scheint irgendwie immer etwas mehr Anstrengung zu fordern als das Zerstörerische. FÜR etwas zu sein fällt immer etwas schwerer als daGEGEN.

 

Wenn  ich so grüble und ins Zweifeln komme, dann hilft mir ein  wirklich GUTES  Wort des Apostels Paulus; mit ihm zusammen kann ich das so sagen:

 

 Lass dich nicht vom Bösen besiegen, sondern besiege das Böse durch das Gute! [Röm 12,21]

 

Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht und einen GUTEN Sonntag.