Das Wort zum Sonntag: Knast

Das Wort zum Sonntag: Knast
Pastorin Annette Behnken
05.04.2014 - 21:05

Die Türen knallorange und zweimal in der Woche Marmelade zum Frühstück. Die JVA Landsberg hat den Medien ihre Türen geöffnet. Uli Hoeneß wird dort nach Ostern seine Haftstrafe antreten.

 

Ich war als Seelsorgerin im Strafvollzug. Ein Hochsicherheitsgefängnis für Langzeitstrafen war das, also für besonders schwere Fälle. Und da bin ich oft an meine Grenzen gekommen.

 

Wer einmal einen Knast von innen gesehen hat, der geht anders wieder raus, als er reingekommen ist. Die Frage ist nur: Wie?

 

Es ist gerecht und richtig, dass das, was Hoeneß getan hat, juristische Konsequenzen hat. Viele freuen sich, heimlich oder auch ganz offen: „Verknackt Hoeneß!“ hat die meistgelesene Zeitung des Landes vor einiger Zeit getitelt. Endlich ist mal einer der ganz Großen erwischt worden. Einer von denen, die sonst immer mit einem blauen Auge davon kommen. Wenn überhaupt. Strafe muss sein.

 

Strafe muss sein, um Straftätern eine Grenze zu setzen und um andere vor ihnen zu schützen. Ganz klar. Aber sonst? Strafe macht aus niemandem automatisch einen besseren Menschen. Im Knast nicht und übrigens genauso wenig in der Kindererziehung. Dazu braucht es etwas anderes. Die Einsicht, dass ich was falsch gemacht habe. Den festen Willen, in Zukunft anders zu handeln. Und das Vertrauen, dass ich das schaffen kann.

 

Ich habe im Gefängnis Menschen getroffen, denen ich aufgrund ihrer Tat kaum noch mit Achtung begegnen konnte. Manchmal war meine Grenze seelsorgerlich und menschlich einfach erreicht. Und es gab andere, die ich unheimlich nett fand. Obwohl sie auch Riesen-Dreck am Stecken hatten. Manche von ihnen haben erzählt, was passiert ist. Und was ich da gehört habe, das waren keine Krimis, das waren Tragödien. Persönliche Schicksale. 

 

Es gibt einen Gedanken, der mir wichtig geworden ist im Knast: Ich kann verurteilen, was ein Mensch getan hat. Aber seine Person, seinen Wesenskern, den darf ich nicht verurteilen. Wenn ich das tue, dann raube ich ihm seine Würde und seine Selbstachtung. Und das kann‘s nicht sein, darum kann‘s nicht gehen. Selbstachtung, die braucht es, damit ein Mensch sich ändern kann. Wenigstens ein Fünkchen davon. Damit ich nicht kaputtgehe, wenn ich mich so sehr für meine Taten vor mir selbst schäme. Und damit ich Verantwortung übernehmen kann für das, was ich getan habe. Das kann dann der Beginn für einen Neuanfang sein. Mit mir. Mit meinem Leben. Mit der Freiheit.

 

Meine Zeit im Knast ist jetzt schon neun Jahre her. Einige von denen, die ich da kennengelernt habe, sind immer noch da. Denn in diesem Gefängnis dauert‘s im Schnitt 20 Jahre, bis man wieder rauskommt. Vielleicht sitzen einige von ihnen heute Abend in ihrer Zelle und sehen fern.

 

Jedem von ihnen mit Achtung begegnen, egal, was er getan hat - das war meine Aufgabe als Seelsorgerin. Das ist der Anspruch, den die Bibel stellt. Das ist das, was Jesus vorgelebt hat. In jedem den Funken Göttlichkeit zu sehen, den wir Würde nennen. Egal, wieviel Dreck er am Stecken hat.

 

Bei Uli Hoeneß wird`s keine 20 Jahre dauern. Trotzdem – diese Zeit wird sein Leben ändern, so oder so. Einer seiner Vorgänger in der JVA Landsberg, ein ehemaliger Häftling hat gesagt: „Ich habe Gott nie auf der Platte gehabt, aber in der JVA habe ich eine Beziehung mit ihm aufgenommen. Seit meiner Haft bin ich davon überzeugt, dass man die Dinge ändern kann. Ein Schicksal ist immer eine Chance.“

Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht.