Das Wort zum Sonntag: "Kopf hoch!"

Das Wort zum Sonntag: "Kopf hoch!"
Pfarrer Dr. Wolfgang Beck
16.08.2014 - 21:30

"Kopf hoch“, vielleicht liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, haben sie das auch schon mal zu jemandem gesagt oder haben es selbst gesagt bekommen. "Kopf hoch“, weil all das Traurige nicht das letzte Wort haben darf. Weil das Leben auch nach Misserfolgen weiter geht oder, weil das Schlimme in der Welt nicht triumphieren darf. So ein "Kopf hoch" kann ermutigen, zumindest dann, wenn es aus echter Anteilnahme zugesprochen wird und nicht bloß als billiges Schulterklopfen daher kommt.

 

"Kopf hoch“, das habe ich vor ein paar Tagen auch gedacht, als ich im Hildesheimer Dom unter diesem mittelalterlichen Radleuchter stand. Wie eine Krone strahlt er über den Köpfen der Menschen. Zwei dieser Leuchter hängen wieder in dem Dom, der mehr als vier Jahre lang eine Baustelle war.

 

Gestern wurde dieser Dom, die Hildesheimer Bischofskirche, wiedereröffnet. Da findet sich, etwas abgelegen in der Provinz, ein beeindruckendes Weltkulturerbe. Mit enormem Kraftaufwand wurde die romanische Kathedrale renoviert und auf Hochglanz gebracht. Auch hier hat die Kirche mit viel Geld gebaut, aber wie ich finde, Wichtiges zum Ausdruck gebracht, von dem etwa diese Radleuchter erzählen:

In all den Krisen des Lebens und auch der Kirche und in all dem, was uns in unseren Tagen mit Blick auf die aufbrechende Gewalt in vielen Krisenregionen fast schon verzweifeln lassen kann, sagen diese Leuchter als Symbol: "Kopf hoch“! Die Leuchter symbolisieren ein Bild, das einem in der Bibel immer wieder begegnet: Das Volk Gottes hatte die Vorstellung von einem "himmlischen Jerusalem“, also von himmlischen Zuständen. Bei allen Problemen und allem Schlamassel des Lebens sollte mit diesem Bild die Hoffnung betont werden, dass Gott irgendwann alles zum Guten wendet.

 

Klar, das kann man auch missverstehen: Werden da vielleicht die Menschen mit ungewissen Versprechungen vertröstet? Werden da Menschen durch religiöse Vorstellungen narkotisiert, um ihnen die Kraft für Veränderungen hier und jetzt in dieser Welt zu nehmen? Derartigen Missbrauch christlicher Hoffnungsbilder hat es auch immer wieder gegeben.

 

Für mich haben diese beeindruckenden Leuchter über den Köpfen der Menschen durch die Jahrhunderte hindurch aber eine faszinierend positive Ausstrahlung. In einer beeindruckenden Verbindung mit der romanischen Architektur und Kunst rufen die Leuchter den Menschen zu: "Kopf hoch! Ihr Menschen seid etwas Großartiges! Gott hat Großes mit Euch vor!" Deshalb lasst nicht zu, dass Menschen in der Welt klein gemacht werden.

 

In einem richtig verstandenen christlichen Glauben werden die Menschen aufgerichtet. Sie werden groß gemacht und an eine Würde erinnert, die ihnen nichts und niemand nehmen kann. Sie werden durch diese Zusage geradezu gekrönt. Die 1000 Jahre alten Leuchter sind ein Symbol für dieses großartige Menschenbild: Es ist nicht defizitorientiert und lässt sich nicht einschüchtern von allem, was uns in Konflikten und Misserfolgen allzu häufig auch klein und erbärmlich wirken lässt.

 

Mich faszinieren nicht nur diese Hildesheimer Kunstschätze, sondern vor allem das, was sie den Menschen ohne Worte zurufen: Kopf hoch! Weil der Mensch Größe zugesprochen bekommt. Kopf hoch – gegen alles, was klein macht!