Das Wort zum Sonntag: "Seitenwechsel"

Das Wort zum Sonntag: "Seitenwechsel"
Pastoralreferentin Verena M. Kitz
13.06.2014 - 23:55

Verena Maria Kitz  Zum Wort zum Sonntag vom 15.6.2014


Ich freu mich drüber, dass über 6 Millionen Menschen dieses Wort gesehen und die Botschaft vom Seitenwechsel gehört haben. Schade, dass der Einstieg bei vielen nicht ankam. Wichtig ist mir: Auch wenn wir feiern und Fußball schauen, dürfen wir die Menschen in Brasilien nicht vergessen, in den Favelas und auf den Kaffeeplantagen! Ich will auf sie aufmerksam machen, anregen, dass wir uns in sie hineinversetzen, so sehr das auch erschrecken kann.

Mir ist wichtig als Christin, dass wir die Perspektive einnehmen von denen, die an den Rand gedrängt werden,  die den Preis zahlen – jetzt bei der WM, oder auch sonst von unserem Wohlstand. Damit wir etwas tun für mehr Ausgleich in der Welt.

Halt, warten Sie bitte noch einen Moment, bevor Sie gleich das Bier holen für die zweite Halbzeit. Die Fußballspieler in Manaus, die hören ja schließlich auch gerade die Kabinenpredigt von ihren Trainern und werden ins Gebet genommen! Und für Sie gibt es hier das Wort zum Sonntag.

 

Ich möchte Ihnen etwas sagen, zum Seitenwechsel. Der kommt ja gleich nach der Pause. "Ja logisch, Seitenwechsel", denken Sie jetzt vielleicht, "aber das ist doch das Normalste der Welt?!" Also ich, ich bekomme am Anfang der zweiten Halbzeit immer erst mal einen Schreck. Und denke: Huch, die spielen ja aufs falsche Tor. Tun sie natürlich nicht, sie wechseln halt die Seiten. Dafür müssen sich die Spieler umstellen. Dann steht vielleicht nicht mehr der eigene Fanblock hinter dem Tor des Gegners. Da sind jetzt die Fans der anderen. Gegen die müssen sie anspielen. Und erleben am eigenen Leib: So ein Seitenwechsel, durch den werden Vor- und Nachteile neu gemischt, und genau darum geht es mir.

 

Beim Fußball gehört so ein Seitenwechsel einfach dazu. Aber wie wäre es, wenn es so einen Seitenwechsel nicht nur auf dem Spielfeld gäbe? Und auch woanders Vor- und Nachteile neu gemischt würden? Etwa bei Ihnen zuhause, vor dem Fernseher. Wenn etwa die, die sonst immer das Bier holen müssen, in der zweiten Halbzeit gemütlich sitzen bleiben können und von den anderen bedient werden. Und umgekehrt. Seitenwechsel, den könnte ich mir noch viel brisanter denken. Ich stelle mir vor: Die Fußballverantwortlichen in Brasilien, die müssten mit den Bewohnern der Favelas, der Elendsviertel die Seiten tauschen – mit den Leuten, die sie für den Stadionbau vertrieben haben. Und sie müssten selbst jetzt im Niemandsland hocken.

Oder noch globaler, so ein Seitenwechsel: Ich denke an den Kaffee, mit dem sich viele von uns in den langen Fußballnächten wachhalten. Der kommt oft aus Brasilien. Wenn wir hier mit den Arbeitern dort auf den Kaffeeplantagen die Seiten wechseln müssten. An ihrer Stelle schuften für einen Hungerlohn, und sie würden für uns hier gemütlich Kaffee trinken? Uff, so ein Seitenwechsel, der jagt mir einen richtigen Schrecken ein. Dadurch würde ich am eigenen Leib merken: Vor- und Nachteile sind total ungleich verteilt auf der Welt. Im Kopf weiß ich das auch jetzt, aber ich bekomme die Ungerechtigkeit nicht zu spüren und genieße die Vorteile.

Eine Spielregel zum Seitenwechsel wie beim Fußball – die gibt es in unserer Welt halt nicht. Die kann ich mir nur selbst geben: Indem ich die Perspektive wechsele und mich in die anderen hineinversetze. Und mich frage: Was kann ich tun für mehr Ausgleich auf der Welt? "Alles, was ihr also von anderen erwartet, das tut auch ihnen" (Matthäus 7, 12) so hat Jesus in der Bibel diese Spielregel beschrieben. Und hat sich daran gehalten.

 

Gleich ist die Halbzeitpause zu Ende. Wie wäre es mit einem Seitenwechsel schon mal bei Ihnen zuhause? Das mit dem Bierholen bietet sich doch an. Wenn Sie in der ersten Halbzeit dran waren, dürfen Sie jetzt gemütlich im Sessel bleiben. Und wer vorhin entspannt im Sessel saß, saust jetzt los und holt Wasser oder Bier! Und dann wünsche ich Ihnen zusammen viel Spaß bei der zweiten Halbzeit!