Evolutionstheorie

Evolutionstheorie
Pfarrer Gereon Alter
15.07.2017 - 23:55

„Es wird!“

 

 

Guten Abend, meine Damen und Herren.

 

„Erdogan knüpft sich Darwin vor“ titelte unlängst eine große Tageszeitung. Die Evolutionstheorie soll aus türkischen Schulbüchern verschwinden. Sie sei fragwürdig und zu kompliziert für die Schüler.

Nur ein türkisches Problem? Keineswegs. Auch der amerikanische Vizepräsident Mike Pence hat so seine Schwierigkeiten mit Charles Darwin. Und in der britischen DUP, immerhin einer Regierungspartei, sind ebenfalls nicht wenige der Meinung, dass die Evolutionslehre nicht in die Schule gehört.

 

Seltsam. Warum reiben sich derart viele Politiker an einer Lehre, die unter Naturwissenschaftlern doch mittlerweile allgemein anerkannt ist? Reicht es denn nicht, dass die katholische Kirche sich an ihr die Hörner abgestoßen hat und in einem mühsamen Prozess lernen musste, dass Darwins Lehre doch gar nicht im Widerspruch zu ihrer eigenen religiösen Weltdeutung steht? Dass es sich vielmehr um zwei verschiedene Blickwinkel auf ein und dasselbe Geschehen handelt?

 

Was treibt die modernen Darwin-Gegner an? Wollen sie den Glauben und die Religion wieder stark machen? Wohl kaum. Ich glaube eher, dass es sich um ganz ähnliche Motive handelt wie schon vor 150 Jahren, als sich die Kirche an Darwin gerieben hat. Da spielte die Angst vor Autoritätsverlust eine große Rolle. Da ging es um Macht und Deutungshoheit.

 

Wer bestehende Machtverhältnisse legitimieren will, der hat es leichter mit einem Gott, der die Welt geschaffen hat wie sie nun mal ist, als mit der Vorstellung, dass alles im Werden ist und dass dieses Werden von ganz vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst wird. So übrigens verstehen moderne christliche Theologen Schöpfung: dass Gott die Welt werden lässt und dass er uns Menschen an diesem Werden beteiligt. Das aber klingt sehr nach Mitverantwortung und Mitbestimmung. Nicht gut für die, denen es vor allem um Machterhalt geht.

 

Deshalb gehen bei mir Warnlichter an, wenn Politiker meinen, sich zu Anwälten einer bestimmten religiösen Weltanschauung machen zu müssen. Vor allem, wenn sie dabei weder aus der Geschichte lernen noch sich mit der aktuellen theologischen Lehre auseinandersetzen. Das riecht mir dann doch zu sehr nach Verzweckung und Missbrauch von Religion.

 

Genauso skeptisch bin ich allerdings, wenn religiöse Menschen Auffassungen vertreten, die jeder naturwissenschaftlichen Einsicht widersprechen. Für mich gehört beides zusammen: die Theologie und die Naturwissenschaft. Der Glaube und die Vernunft.

 

Wenn ich als Christ glaube, dass Gott uns Menschen geschaffen hat, dann glaube ich, dass er auch unsere Vernunft und unseren Wissensdrang geschaffen hat. Dann glaube ich, dass er auch die Naturwissenschaften werden ließ, auf dass wir uns ihrer bedienen und durch sie immer mehr begreifen, wie groß und wunderbar Gottes Schöpfung ist.

 

In der Bibel steht, dass Gott die Welt in sechs Tagen geschaffen hat und dass er am siebten Tag geruht hat. Ist das wörtlich zu verstehen? Natürlich nicht. Denn es widerspricht jedweder naturwissenschaftlichen Erkenntnis. Aber am siebten Tag zu ruhen und Gott mal wieder dafür zu danken, wie wunderbar unsere Welt geworden ist, ist trotzdem gut.

 

In diesem Sinne: einen geruhsamen und erholsamen Sonntag!