Hamsterrad und Karriereleiter?

Hamsterrad und Karriereleiter?
Pastoralreferentin Lissy Eichert
05.11.2016 - 23:35

Guten Abend!

Kennen Sie noch dieses altbewährte Passiergerät, die „Flotte Lotte“? Für die Jüngeren:  Mit der „Flotten Lotte“ presst man mit einer Handkurbel Früchte durch ein Sieb und gewinnt so deren Saft. Das Gerät ist leistungsstark, es sorgt für ein restloses Auspressen der Früchte.

Und was hat nun diese Küchenhilfe mit der Themenwoche „Zukunft der Arbeit“ zu tun?  Richtig: Es geht ums Auspressen. Auch noch das Letzte  aus sich herausholen. Obwohl ja die Sklaverei seit mehr als 150 Jahren bei uns abgeschafft ist, sind manche Methoden doch äußerst zählebig: Niedriglohn für Erntehelfer, auf dem Bau oder bei Zeitarbeitsfirmen. Unsichere Arbeitsverträge, die dafür sorgen, dass ich mir alles gefallen lasse. Aus Angst, ohne Arbeit dazustehen, verkneife ich mir das Aufmucken.

Im 19. Jahrhundert herrschte ein anderer Zeitgeist: Da schlossen sich die Arbeiter zusammen, um gegen die Ausbeutung zu kämpfen. Heute stehen viele allein da, ohne einen Anwalt ihrer Interessen. Derart gesellschaftlich ent-solidarisiert, steigt der Druck auf den einzelnen. Und viel zu viele erdulden das Auspressen ihrer Arbeitskraft, bis nichts mehr geht.

Papst Franziskus geht hart ins Gericht mit denen, die andere ausbeuten: „Die, die das machen, sind wahre Blutsauger“, sagt er, „sie leben von den Blutspenden der Menschen, die sie zu Arbeitssklaven machen.“[1]

Der Mann hat gut reden. Und wie wehre ich mich gegen Formen dieser Sklaverei? Das System kann ich nicht aufhalten. Aber ich kann mich anders dazu verhalten. Und das muss ich auch, schon um meiner Gesundheit willen: Arbeit kann krank machen.

Ich kann beispielsweise lernen, Nein zu sagen. Auch mal zum Chef. Nein sagen zu den Vorwürfen, selbst schuld zu sein, es nicht auf die Reihe zu kriegen oder zu kurz zu kommen.

Helfen kann da auch, die Perspektive zu wechseln. Pausen einlegen, um nicht betriebsblind zu werden. Spätestens dann, wenn ich merke, wie sich in mir langsam eine Schraube lockert. Ich gehe dann gern in die Natur, an den Landwehrkanal bei mir um die Ecke. Oder ins Gebet. Oder beides.

Das bewusste Unterbrechen von Arbeit und Alltag hilft mir auch, die Geister zu unterscheiden. Damit ich das „Hamsterrad“ nicht mit einer „Aufstiegsleiter“ verwechsle.

Solche kreativen Pausen tragen dazu bei, neu wahrzunehmen, was mein Leben erfüllt. Was wirklich wichtig ist. Um vielleicht auch zu entdecken, was uns als Gesellschaft möglich ist, die Arbeit in Zukunft menschenfreundlicher zu gestalten. Mit einem entschiedenen Nein zum Wohlstand auf Kosten anderer. Nein zu allen Formen von Versklavung.  

Denn die Befreiung aus der Sklaverei ist die berühmteste Botschaft der Bibel. Sie bewegt die Menschen bis heute. Und wird in unzähligen Liedern besungen, von „We shall overcome“ bis zum Paukenschlag der Mirjam. 

 Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag.

 

[1] Radio Vatikan – 18. Oktober: „Die, die das machen sind wahre Blutsauger und leben von den Blutspenden der Menschen, die sie zu Arbeitssklaven machen!“