Inmitten des "Tohuwabohu"

Inmitten des "Tohuwabohu"
Gott umarmt uns durch die Wirklichkeit
21.01.2017 - 23:35
21.12.2016
Benedikt Welter

"Tohuwabohu" – das kommt mir in den Sinn, wenn ich sehe, dass das Neue Jahr fast so weitergeht, wie das alte geendet hat. Bewegte Zeiten. Manche finden: chaotische Zeiten. Wie wird das jetzt nach der Vereidigung von Donald Trump als neuem Präsidenten in US Amerika? Wie müssen Polizei und Verfassungsschutz funktionieren, um Attentate wie das auf dem Breitscheidplatz in Berlin möglichst zu verhindern? Der sogenannte Brexit bekommt nach der Rede von Premierministerin May Konturen. EU Ratspräsident Tusk nennt das alles einen traurigen Prozess in "surrealistischen Zeiten" (FAZ 18.01.).

 

Das EU Parlament hat einen neuen Präsidenten, der alles anders machen will als sein Vorgänger. Der Silvesterattentäter von Istanbul: ein bezahlter Killer. Gruseliges Dummsprech aus Dresden erregt zu Recht die Gemüter. Die Menschen in Mittelitalien verzweifeln wegen immer wieder bebender Erde. Und im Mittelmeer ertrinken weiterhin Hunderte von Flüchtlingen, weil sie lieber das Risiko der Überfahrt in irgendwelchen Nussschalen auf sich nehmen, als zu Hause Krieg und Terror zu erleiden. "Tohuwabohu" – Das Wort steht im ersten Satz in der Bibel. Tohuwabohu war die Erde – gut zu übersetzen mit "Irrsal und Wirrsal" .

 

So ist die Schöpfung, ganz am Anfang. Das hebräische Wort hat Eingang in unsere Sprache gefunden; Tohuwabohu beschreibt etwas Chaotisches; schlimmer als "Kraut und Rüben". Und obwohl die Bibel in der Schöpfungsgeschichte erzählt, dass Gott in dieses Tohuwabohu Ordnung gebracht hat, bleibt bis heute ein gutes Stück davon Wirklichkeit in unserer Welt. Vor 500 Jahren lebten die Menschen auch in bewegten Zeiten. Und da sagt der Heilige Ignatius: "Gott umarmt mich durch die Wirklichkeit". Das ist ein mutiges Wort, finde ich. Ein provozierender Satz. Mitten im Tohuwabohu der Wirklichkeit soll und muss ich nicht verzweifeln. Ich soll und darf diese Wirklichkeit anerkennen und annehmen. Denn sie ist mehr als eine Anhäufung von Schreckensmeldungen, die Angst machen. Ich kann diese Wirklichkeit annehmen, weil Gott mich umarmen will, genau in und durch diese Wirklichkeit.

 

Gott nimmt das Tohuwabohu in den Arm und sagt damit: In all dem Durcheinander kannst du mich suchen und finden. Und vielleicht bekommen wir es gemeinsam geordnet. "Gott umarmt mich durch die Wirklichkeit": das hilft mir, nüchtern zu bleiben in meiner Gegenwart und mich zu vergewissern, wo ich stehe und wie es weitergeht. Und dabei brauche ich das nicht zu leugnen oder auszusparen, was wirklich rau ist und abstößt. Und wenn ich schon so mutig bin und mich provozieren lasse, kann ich in all dem Tohuwabohu auch Gott zulassen oder finden; einen Gott, der mich ernsthaft liebt, ohne müde zu werden: dann kommen Licht und Ordnung in die Irrsal und Wirrsal unserer Tage.

 

Ein Jahr, das so chaotisch begonnen hat, wie das alte zu Ende ging? "Same procedure as every year", sozusagen? Nein. Wieder ein ganz neues Jahr und jeden Morgen ein neuer Tag und wieder und wieder darf ich versuchen, mich IN der oft so unordentlichen Wirklichkeit von Gott umarmen zu lassen. Einen guten Sonntag wünsche ich Ihnen. Angekommen in der Wirklichkeit und von Gott umarmt.

21.12.2016
Benedikt Welter