#KeinerBleibtAllein

#KeinerBleibtAllein
Pastorin Elisabeth Rabe-Winnen
01.12.2018 - 23:50
12.01.2018
Elisabeth Rabe-Winnen

Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer.

Ich gehe durch den Bahnhof. Es ist schon dunkel. Neben mir geht eine Freundin. Eine meiner liebsten. Ich vermisse sie jetzt schon. Gleich fährt sie nach Hause, sie war zu Besuch bei mir. Einen Tag hatten wir frei geschaufelt füreinander zwischen Kindern und Alltag. Alles glänzt und glitzert in der Bahnhofshalle in Ahnung und Erwartung des Advent. Am Gleis verabschieden wir uns. Dann steigt sie ein. Der Zug rollt an. Ein Mal noch winken. Ich blicke dem Zug hinterher, Kloß im Hals. 

Mit dem Zug sind es ungefähr drei Stunden zueinander. Als wir uns kennenlernten - 17 Jahre ist das her - da passte alles. Sofort. Als hätte sie einen Schlüssel. Zu dem, der ich war. Zu der, die ich bin. Ich konnte einfach sein. Ohne Bedürfnis nach Rückzug. Wir wohnten einander im Studentenwohnheim gegenüber. Am Ende des Flurs. Zimmer 10 und Zimmer 11.

Vom Bahnhof gehe ich wieder nach Hause. Auch hier glänzt und glitzert es. Wer wohnt hinter den funkelnden Fenstern? Und was wohnt dort mit den Menschen? In einem Fenster gebastelte Sterne. Daneben ein Fenster ohne Licht, nur weiße Gardinen aus Spitze, einen kleinen Spalt weit offen. 

Ich ziehe meine Mütze tiefer ins Gesicht. Die Adventszeit hat den Frost. Die Wärme auch. Hat die Einsamkeit auf dem Feld und die Gemeinschaft in Stall und Stube. 

Meine Freundin wird Weihnachten in ihrer Kirchengemeinde Gottesdienste feiern und dann zuhause mit ihrem Mann und den Kindern. Und auch meine Kinder haben schon heute ganz rotwangig und aufgeregt das erste Türchen am Adventskalender geöffnet. Der Zauber ist groß. Zugleich ist für andere die Traurigkeit größer als sonst in dieser Zeit. Adventsfeiern warten und Familientreffen. Und dann sind da die, an deren Fenster nichts glitzert und glänzt, die hoffen, diese Zeit jetzt möge schnell wieder vorbei gehen.

Keiner sollte allein sein. Jeder braucht Menschen, die ansehen, die die Hand nehmen und drücken. Die mit Dir reden und lachen, weinen auch. Die den Alltag teilen mit Dir. Keiner sollte alleine sein müssen, der es nicht will. Hashtag „keinerbleibtallein“. Bei diesem Verein suchen Menschen Gelegenheiten für andere. Um Anschluss zu finden. Um nicht allein zu sein. Gerade jetzt nicht.

Die Fenster und Schaufenster, die Balkone und Bäume sind geschmückt in Ahnung und Erwartung der Weihnacht. Dann kommt er wieder zu Besuch. Blick auf die Anzeigetafel: 23 Tage noch - Ankunft Jesus von Nazareth in der ,stillen Nacht‘. Er kommt wie meine Freundin, dieser Lieblingsmensch. Kommt wie „alle Jahre wieder“. Tritt ein in unseren Raum; in alles, was ist und sich verbirgt hinter dem Gardinenspalt. Bringt Licht mit. Und auch so einen Schlüssel für mein Herz. Und ich spüre: alles ist gut. Ich kann einfach sein.

Als wir uns kennenlernten, war es Liebe und Gerettet-Sein. Er kennt mich vom Mutterleib an. „Da ich noch nicht geboren war, da ist er mir geboren.“ Er kommt in die blaue Nacht. Mit dem goldnen Licht. Sagt mit dem Engel am Grab und dem Engel auf dem Feld der Weihnacht: „Fürchte Dich nicht!“

Ich wünsche Ihnen eine schöne, eine gesegnete Adventszeit!

12.01.2018
Elisabeth Rabe-Winnen