Liebesregeln?

Liebesregeln?
Pastorin Annette Behnken
16.04.2016 - 23:50

Guten Abend, in nichts, in nichts kann man sich so sehr verirren, wie in der Liebe. Oft ist alles klar, oft ist nichts klar. Manches geht schief, manches gelingt. Kaum etwas macht uns so glücklich oder so traurig.

 

Fast unbemerkt im ganzen Böhmermanngetöse hat die evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg beschlossen, dass homosexuelle Paare heiraten dürfen. Ganz normal wie Mann und Frau. Vor dem Altar, mit Pastor und Ringen und allem, was dazugehört.

 

Ein Schritt nach vorne - die evangelische Kirche ist damit weiter als der deutsche Staat. Der macht immer noch einen Unterschied: Eingetragene Lebensgemeinschaften für Schwule und Lesben, die Ehe nur für Mann und Frau.

 

Die Kirche war ja immer Sittenwächterin in Sachen Liebe - über Jahrhunderte. Dabei hat sie sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert und hat oft fatal gegen ihre eigenen Moralvorstellungen verstoßen. Trotzdem: immer noch erwarten viele, dass die Kirche moralische Orientierung gibt. Klar: In nichts kann man sich so verirren, wie in der Liebe. Und da möchte man sich an irgendwas festhalten können.

 

Aber wie sieht eine Liebesmoral aus, die uns hilft - heute, in unserem Leben, in unserer Welt? Wieviel Freiheit braucht die Liebe? Und wieviel Sitte und Moral? Für manche ist das ganz klar. Der junge Mann, der sich im letzten Sommer nach einer Trauung in unserer Kirche völlig empört vor mir aufbaute und sagte: Eine Kirche, in der ein Adam einen Adam heiraten könne, die würde ja wohl ihre eigenen Werte verraten. Ich musste erstmal einen Moment nachdenken - ein Adam einen Adam? Ja, klar. Ein Mann einen Mann. Schwule Ehen meinte er. Das stünde ja schließlich in der Bibel, dass das nicht erlaubt sei. Und wenn die Kirche nicht mehr aufpassen würde, dass wir uns auf die rechte Art und Weise lieben, dann sei das ja wohl der Untergang der christlichen Werte. Dahinter steckt wohl die tiefe Angst: Wenn mir keiner mehr sagt, was richtig und falsch ist und wie ich leben soll, dass dann alles zusammenbricht in dieser sowieso schon so chaotisch-undurchschaubaren Welt.

 

Also, was braucht die Liebe? Erstmal braucht sie Küsse. „Es ist gut, den Morgen immer mit einem Kuss zu beginnen“. Sagt der Papst. In seinem neuen Lehrbrief mit dem Namen: Amoris laetitia - Freude der Liebe. Selbst wenn ein Mann einen Mann küsst und eine Frau eine Frau, verurteilt der Papst das nicht mehr. Das ist neu. Und gut. Heiraten allerdings ist etwas nur für Frau und Mann, da bleibt der Papst beim Alten.

 

Die Liebe braucht ein gerüttelt Maß an Freiheit. Sonst erstickt sie. Sie braucht auch Moral. Sonst wird sie willkürlich. Aber eine, die sich aus ihr selbst, aus der Liebe ableitet. Eine Moral aus Liebe.

 

Die Kirche verrät nicht ihre Werte, wenn sie homosexuelle Ehen schliesst. Auch, wenn man die Bibel so verstehen kann. Es gibt einen Maßstab, der höher ist, als alle moralischen Vorstellungen, viel höher. Bei wohl jeder Trauung sagen wir Pastoren diesen Bibelvers: „Gott ist die Liebe. Und wer in der Liebe bliebt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.“ Maßstab kann nur die Liebe selbst sein. In der Liebe und in den Augen Gottes gelten keine moralischen Abwertungen, weil ich so oder so geprägt bin.

Eine Moral aus Liebe - die führt zu Toleranz und Respekt. Auch für die, die anders leben und lieben, als ich.

 

Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht - und, wenn Sie können, denken Sie beim Aufstehen daran: Es ist gut, den Morgen immer mit einem Kuss zu beginnen.