Macht der Musik

Macht der Musik
Das Wort zum Sonntag zum Eurovision Song Contest von Pastorin Annette Behnken
14.05.2016 - 20:55
18.01.2016
Annette Behnken

Wissen Sie, was für mich das Schöne am Eurovision Song Contest ist? Man muss nicht im selben Land leben, nicht dieselbe Religion haben oder dieselbe politische Überzeugung, man muss nichtmal dieselbe Sprache sprechen - Musik versteht jeder. Ob ein Lied von Liebe, Wut, Trauer oder Glück handelt, jeder versteht es, über alle Grenzen hinweg. Musik kennt keine Grenzen. Pfingsten übrigens auch nicht. Das ist das christliche Fest an diesem Wochenende, an dem wir feiern, dass Menschen sich verstehen können auch ohne gemeinsame Sprache, dass es universale Sprachen gibt, von Herz  zu Herz, über alle Grenzen hinweg. Wie zum Beispiel die Musik.

Musik kennt keine Grenzen. Und genau dafür hat der ESC jetzt einen Preis bekommen, nämlich die Karlsmedaille. Mit der wird ausgezeichnet, wer sich in den Medien besonders für die Einigung in Europa stark macht. Europa, das leider gerade erst die Grenzen wieder zugemacht hat. Und der ESC bekommt diese Medaille, obwohl  er sich überhaupt gar nicht politisch äußert. Will er nicht und tut er nicht. Und trotzdem so ein politischer Preis!

Gerade deshalb! Weil der esc keine politischen Aussagen macht - so heisst es in der Begründung für die Verleihung der Karlsmedaille -  gerade deshalb sind starke Dialoge zwischen Ländern möglich geworden. Dialog statt Mauern hochziehen und Zäune errichten. Wir wissen das doch eigentlich, dass es nur so geht. Wir wissen auch, dass es schwer ist: Miteinander reden, zuhören, auch wenn man‘s gar nicht hören will, versuchen, zu verstehen. Kennen wir. Aber: Ohne Dialog kein Miteinander.

Nein, der ESC ist sicher nicht die Antwort auf die europäische Krise, auf diesen eklatanten Mangel an „Wir-Gefühl“, an Solidarität und Toleranz. Und nicht die Antwort auf Hass gegen Flüchtlinge, auf Nationalismus, auf Fanatismus.

Was der ESC ist, das ist etwas Gemeinsames, jenseits von Worten und natürlich ein riesengroßer Rausch für Augen und Ohren. Es gibt so viel zu sehen und zu hören. Wunderschönes und sehr Schräges, Schrilles und manchmal auch überraschenderweise ganz Bescheidenes und Stilles. Diese glitzernde Versammlung schillernder Gestalten und großer Hoffnungen, die ist wie ein Gemälde. Von einem bunten und toleranten Europa. Nur ist es im Moment gar nicht so.

Was ist los mit Europa? Papst Franziskus, hat wie der ESC auch einen Preis verliehen bekommen, nämlich den diesjährigen Karlspreis, das ist sozusagen der große Bruder der Karlsmedaille. In seiner Rede zur Verleihung fragt er: „Was ist mit dir los, humanistisches Europa, du Verfechterin der Menschenrechte, der Demokratie und der Freiheit? Was ist mit dir los, Europa, du Heimat von Dichtern, Philosophen, Künstlern, Musikern, Literaten?“

Musik kennt keine Grenzen. Im Gegenteil. Musik kann Grenzen überwinden. Erstmal die im Kopf und im Herzen. Mit denen fängt ja alles an. Meine unverbesserliche Hoffnung ist, dass wir die Grenzen im Kopf überwinden, nationale, kulturelle, religiöse, soziale ... immer mehr und dass wir in jedem Menschen, in jedem einzelnen, seine eigene Kostbarkeit und Würde sehen.

18.01.2016
Annette Behnken