Menschenrechte sind nicht verhandelbar

Menschenrechte sind nicht verhandelbar
Pastoralreferentin Lissy Eichert
09.01.2016 - 23:35

Mir fehlen die Worte, die auch nur halbwegs ausdrücken, wie abscheulich und entsetzlich ich die Vorfälle in der Silvesternacht empfinde.

Welchen Trost  gibt es für die Opfer sexueller Übergriffe,  ja, Vergewaltigung? Was kann man denen sagen, die so etwas befürchtet haben?

Der Mann meiner Freundin Frieda kommt aus Ghana. Sie haben drei tolle Kinder. Die Familie engagiert sich in der Kirchengemeinde. Friedas Sorge ist nun, dass die Ängste zunehmen. Dass alle diejenigen sich bestätigt fühlen, die immer schon befürchtet haben: Junge Männer arabischer oder nordafrikanischer Herkunft treten die Rechte von Frauen mit Füßen.

Keine Frage: Wer die Unversehrtheit von Frauen missachtet, ist kriminell, ist ein Täter. Und die Taten sind mit den Mitteln des Rechtsstaates zu verfolgen - unabhängig vom kulturellen Hintergrund. Denn: Menschenrechte sind nicht verhandelbar. Sie haben weder Hautfarbe noch Geschlecht. Und auch keine Religion.

Grenzen ziehen! Der Respekt vor der Würde des anderen setzt meiner Freiheit eine Grenze. Das Christentum ist nicht naiv, wenn es Gottesliebe und Menschenliebe predigt. Denn beide sind nicht zu trennen. „Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst“  ist eine Grundhaltung, die auch die Selbstfürsorge betont. Für mich Sorge tragen bedeutet, Grenzen zu ziehen – gegen jede Art von Verletzung meiner Würde.

Natürlich habe ich schon erlebt, dass ein muslimischer Mann mir nicht die Hand gibt oder den Augenkontakt verweigert. Ichversuche dann, mit ihm zu reden. Natürlich habe ich schon arabische Jungs im Bus erlebt, die ein Mädchen anbaggern. Dann schreite ich ein und frage, ob es für das Mädchen okay ist. Das würde ich bei allen Jungs tun.

Für mich bedeutet das Gebot der Nächstenliebe auch, den anderen - mit Respekt - zurecht zu weisen. Grenzen aufzuzeigen, um in aller Verschiedenheit zusammen zu leben. Streiten, auch mit Gott, offene angstfreie Auseinandersetzung, über andere Vorstellungen reden, von Fremden lernen... all das gehört wesentlich zum Christentum. Hier liegt seine Stärke. So begründen wir die Kultur von Einheit im Vielfalt.

 „Fürchte Dich nicht!“ Diese Ermutigung steht 365 Mal in der Bibel, also für jeden Tag einmal. Wir werden ermutigt, die Nächstenliebe aktiv zu leben. Das heißt: angstfrei aufeinander zugehen. Solidarisch mit den Opfern sein. Sich mutig einmischen. Gemeinsam für die Würde jedes Menschen eintreten. Das dürfen wir uns nicht nehmen lassen! Jede Form von Gewalt gegen Frauen – in jedem Land – ist entschieden ein NEIN zu entgegnen.

Es ist Zeit, Ängsten und Vorurteilen bewusst entgegenzutreten.  Es ist Zeit, Menschen zu unterstützen, die zu uns geflüchtet sind. Denn auch sie haben Angst und brauchen Ermutigung. Auf diese Weise werden die Sorgen meiner Freundin Frieda vielleicht geringer – und Ihre  hoffentlich auch.