Ostern 2016: Trotzdem.

Ostern 2016: Trotzdem.
Pastoralreferentin Lissy Eichert
26.03.2016 - 23:35

Guten Abend und: "Halleluja". Es ist Ostern. Auch wenn der Jubelruf "Preiset den Herrn" heute leise, gebrochen, wie in moll klingt und mir fast im Halse stecken bleibt, wenn ich die entsetzlichen Bilder aus Brüssel anschaue: Menschen schreien, rennen um ihr Leben, sie weinen um ihre Toten. Sind fassungslos angesichts des abgrundtiefen Hasses.

Welche Botschaft kann da Trost geben? Vorschnelle Antworten, einfache Lösungen helfen nicht. Weil sie dem furchtbaren Leiden des Einzelnen nicht gerecht werden. In mir hallt der Schrei nach, den Jesus von Nazaret ausstößt, bevor er am Kreuz verblutet: "Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?" (Mk 15,34) Danach wird es still auf Golgota, dem Kreuzigungshügel. Totenstill. Ich komme nicht umhin, diese Leere, die bodenlose Trauer, die Ohnmacht des Kreuzes auszuhalten. Wie schwer ist das! ___________________________________________________________________

Gestern stand ich vor einem wuchtigen schmiedeeisernen Tor zu einem alten Friedhof, der auch heute noch "Gottesacker" heißt.[1] Die Inschrift über dem Portal:  „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt". Wer das Tor durchschreitet, gelangt zu den Gräbern. Es ist ungewöhnlich ruhig auf diesem Friedhof mitten in Berlin. Ist es Grabesstille? Im Überschreiten der Schwelle begreife ich: Mein Leben mit Gott geht über das Grab hinaus. Das irdische Leben endet, die Liebe aber bleibt.

Heute ist die Nacht, in der Jesus Christus die Ketten des Todes zerbricht.[2]„Mein Erlöser lebt!“ Daran halte ich fest. Auch angesichts der Toten von Brüssel.  

Die Auferstehung ist der Aufstand gegen jeden Tod. Menschen, die mitten ins Herz getroffen sind, rappeln sich wieder auf, stehen zusammen, sie widerstehen der Angst, stemmen sich gegen die Verunsicherung. Wir werden lernen müssen, mit der Bedrohung zu leben, ohne zu kapitulieren. Die Angst darf unser Leben nicht  bestimmen. Dazu ermutigt mich mein Glaube: Jesus Christus lebt. Genau dann, wenn es knüppeldick kommt, ist er da, mittendrin. Der Ijob in der Bibel, der alles verloren hat, sagt trotzig: „Eines weiß ich: Mein Erlöser lebt; auf dieser todgeweihten Erde spricht er das letzte Wort“ (vgl. Ijob 19,25)  - und sitzt dabei auf den Trümmern seines Lebens.

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Ja, ich bin überzeugt: Wenn ich an Gott festhalte, wenn ich meine Ängste in den Himmel werfe, kann ich manche Träne wegwischen. Weil seit jenem ersten Ostern der Weltgeschichte gilt: Ich bin nicht allein in meinem Leben. Nennen Sie es "sture Lebensfreude", ich bleibe dabei: Wir dürfen uns das Halleluja nicht verbieten lassen. Wohl klingt es heute Nacht verhaltener als sonst, doch die Gewissheit des Herzens bleibt: Die Liebe ist stärker als der Hass. Und als der Tod.

Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Osterfest.

 

[1] Berlin-Rixdorf, Friedhof Böhmischer Gottesacker

[2] Aus dem Exultet (Osterlob): „Dies ist die selige Nacht, in der Christus die Ketten des Todes zerbrach und als Sieger aus der Tiefe emporstieg.“