Religion ist politisch

Religion ist politisch
Pastoralreferentin Lizzy Eichert
29.08.2015 - 23:35

Guten Abend. Wer heute Nacht durch Berlin läuft, sieht hell erleuchtete Synagogen, Moscheen, Kirchen: Es ist die „Nacht der Religionen“. Fast einhundert Religionsgemeinschaften laden ein zum Beten und Diskutieren, zum Singen und miteinander Essen.  Vor allem aber wollen ihre Mitglieder vermitteln, was sie glauben und wie sie ihre Überzeugung leben. In meiner Gemeinde steht dafür beispielsweise das Kirchenasyl. Wir sehen zuerst den Menschen und dann dessen Religion oder Weltanschauung. Unter den Schutzsuchenden sind Muslime, die vor islamistischer Gewalt fliehen mussten. Oder auch eine freikirchliche Christin, ein Opfer von Zwangsprostitution. Asyl am heiligen Ort – in der Synagoge, in der Kirche  – bedeutet Schutz für Menschen in Not. Ohne Wenn und Aber. Es ist gelebter Glaube, der zur Solidarität wird.

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Denn  Religion ist immer auch politisch und muss kritisch hinterfragt werden.  Wird sie politisch missbraucht? Es ist unerträglich, dass - angeblich im Namen eines Gottes - Kriege geführt werden. Papst Franziskus sagt dazu in gewohnt pointierter Weise: „Es gibt nur eine Art, einen Krieg zu gewinnen: ihn gar nicht erst zu führen.“ Und das gilt für alle Arten von „Kriegsführung“:  Achtet eine Weltanschauung die Menschenrechte? Ist eine Religion frauenfeindlich oder homophob, ist sie feindselig gegen Menschen, die anders sind? Diese Fragen stelle ich natürlich auch meiner Kirche.

Ich liebe Jesus Christus, gerade weil er so ganz anders ist! Wie oft hat der Sohn des Zimmermanns mit den offiziellen Religionsvertretern gestritten, Heuchler nannte er sie. Er, der Jude, stellte einen Samariter, also einen Ausländer, als Vorbild dar. Er bewunderte den Glauben des römischen Hauptmanns, ein Vertreter der Besatzungsmacht.

Jesus Christus konnte deshalb so auf Menschen zugehen,  weil er in Rückbindung an Gott lebte. Re-ligion - von re-ligare abgeleitet -, bedeutet, sich-zurück-binden an die Liebe Gottes wie an ein Seil; sich absichern. Daraus wächst die Liebe zu jedem Menschen, ja, sogar zum Feind. Wenn jede Religion, jede Weltanschauung Frieden und Feindesliebe leben würde - wie anders sähe unsere Welt dann aus...  

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Die „Nacht der Religionen“ zeigt, wie das Zusammenleben gelingen kann. Und auch die Flüchtlinge bringen ihren Glauben mit. Sie wollen das, was ihnen heilig ist, auch bei uns heilig halten. Weil Religion Halt gibt und innere Kräfte wecken kann. Jetzt, um diese Uhrzeit, wird zum Abschluss der „Nacht der Religionen“ auf dem Gendarmenmarkt in Berlin miteinander gebetet. Das Friedensgebet bringt zum Ausdruck: Wo Menschen sich für Verständigung und Versöhnung stark machen, ist unsere Welt noch nicht „von allen guten Geistern verlassen“. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen jetzt schon einen Guten Morgen.

Quelle Zitat Papst Franziskus: newsletter-deutsch@vatiradio.va