Vitality Tracker

Vitality Tracker
Das Wort zum Sonntag von Pfarrer Gereon Alter
13.02.2016 - 23:55

Ich gehöre auch dazu. Zu denen, die einen Fitness Tracker am Handgelenk tragen. Denn ich gehe regelmäßig Joggen. Und da ist es gut, seinen Puls im Blick zu haben. Aber dann lege ich den Fitness Tracker auch wieder ab. Denn ich möchte nicht den ganzen Tag von ihm bestimmt werden. Und schon gar nicht möchte ich, dass meine Krankenkasse oder mein Arbeitgeber an die Daten kommen und mir dann Empfehlungen geben, was ich vielleicht noch zur Verbesserung meiner Fitness tun könnte. Ich gehe nicht Joggen, um noch mehr leisten zu können, sondern weil es mir Spaß macht, weil es mir gut tut und weil ich mich danach lebendig fühle.

 

Aus demselben Grund habe ich mir in den vergangenen Tagen noch einen anderen Tracker zugelegt. Ich nenne ihn meinen "Vitality Tracker", meinen "Lebendigkeitstracker". Die Idee dazu ist mir im Laufe meiner Exerzitien gekommen. Das ist eine kleine Auszeit, die ich mir einmal im Jahr gönne. Drei, vier Tage, in denen ich einmal wieder bewusst auf mein Leben schaue: ist alles gut, so wie es ist, oder sollte ich mal etwas verändern. Und eben dabei ist mir wieder bewusst geworden, dass es in meinem Leben nicht darum gehen muss, möglichst optimal zu funktionieren, sondern darum, lebendig und präsent zu sein.

 

Deshalb der Vitality Tracker. Wie der funktioniert? Nun, es ist einfach ein gelber Stift. Mit dem markiere ich in meinem Kalender all die Erlebnisse, bei denen ich mich besonders lebendig fühle. Das kann ein kurzer Spaziergang sein. Das kann ein gutes Gespräch sein. Das kann auch ein Gottesdienst sein, bei dem ich einfach mal wieder zur Ruhe komme. Das kann aber auch ein Ereignis sein, das mich berührt oder erschüttert. Ich nutze dieses Gerät erst seit einigen Tagen und bin jetzt schon erstaunt, wie gelb mein Kalender dadurch wird, wie viele kleine Oasen der Lebendigkeit es doch in meinem Alltag gibt. Das war mir vorher gar nicht so bewusst.

 

Ich werde diesen Vitality Tracker zunächst einmal bis Ostern nutzen. Also in der sog. „Fastenzeit“, den vierzig Tagen, in denen Christen sich auf das Osterfest vorbereiten. Viele meinen: In dieser Zeit muss ich vor allem auf etwas verzichten: 40 Tage ohne Süßigkeiten, 40 Tage ohne Alkohol, 40 Tage abnehmen. Und schon bin ich wieder beim Leistungsgedanken und bei dem Versuch, noch schöner, noch besser, noch stärker zu werden. Aber darum geht es in dieser Zeit doch gar nicht – zumindest nicht, wenn ich mich an Jesus Christus orientiere. Denn der hat nicht gesagt: "Ich bin gekommen, damit ihr leistungsfähiger werdet", sondern "… damit ihr das Leben habt und es in Fülle habt."

 

Wenn ich auf ihn und auf seinen Lebensweg schaue, dann sehe ich einen Menschen vor mir, der vor allem eines wollte: lebendig sein. Lebendig sein, präsent sein, das Leben in seiner ganzen Weite und Tiefe leben. Das ist "Leben in Fülle." Und daran hat er festgehalten, selbst als es für ihn schwer wurde und aus seiner Erfolgsgeschichte ein großer Mißerfolg zu werden drohte. Lebendig sein, präsent sein: das kann ich nicht nur, wenn’s mir gut geht. Das kann ich auch, wenn’s schwierig oder auch erschütternd wird. Ja sogar wenn’s dem Tod entgegen geht. Vielleicht wird es da noch am deutlichsten. Da, wo nichts mehr zu optimieren ist und ich gar nichts mehr leisten kann, wo ich nur noch präsent sein kann: Es geht nicht darum zu funktionieren, es geht darum lebendig zu sein.

 

Das ist die große Weisheit des Jesus von Nazareth. Das ist das Große, für das er gestanden, gelebt und gelitten hat. Und dieser kleine Vitality Tracker wird mir in den kommenden Wochen helfen, diesem Großen wieder neu auf die Spur zu kommen.

 

Eine gute Nacht und einen lebendigen Sonntag!