Geschichte der Melanchthonkirche in Bochum

Geschichte der Melanchthonkirche in Bochum

 

Der Pulsschlag aus Stahl mag in Bochum der Vergangenheit angehören. Aber da klingt noch etwas nach – zumindest in der Melanchthonkirche, zumindest so lang Besucher die derzeit in der Kirche ausgestellten stählernen Klang-Skulpturen in Schwingung versetzen.

 

Im Jahr des 100. Jubiläums ihrer Grundsteinlegung wird die Melanchthonkirche zum Ausstellungsraum für Werke des Essener Künstlers Thomas Rother und dabei zum Klangraum für neue Musik aus Altmetall. Wer die Kirche besucht, kann es selbst einmal ausprobieren, Installationen aus Relikten des Bergbaus und der Stahlindustrie geheimnisvolle Klänge zu entlocken. 

 

Als die Melanchthonkirche vor 99 Jahren fertig gestellt wurde, da waren die Gemeindeglieder stolz auf ihren modernen, nach der Art eines Amphitheaters zentrierten Kirchbau, errichtet nach dem sogenannten Wiesbadener Programm. Das erkennt heute jedoch nur noch, wer um diese Baugeschichte weiß. Die mächtige, das Kirchenschiff überwölbende Kuppel und das reich verzierte Gesamtgebilde aus Orgel, Kanzel, Altar und Sängerempore in der Apsis gehören längst der Vergangenheit an. Nur noch wenige Schwarz-Weiß-Fotografien erinnern daran.

 

Predigt- oder Sakraments-Kirche

Denn nachdem die Kirche im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt worden war, sollte ihre Neuerrichtung auch die innenarchitektonische Formensprache eines geistigen Wandels zum Ausdruck bringen. Auf den Grundmauern des Zentralbaus, der vormals das Selbstbewusstsein der feiernden Gemeinde veran­schaulichte, sollte ein dem optischen Eindruck nach nüchterner langschiffiger Kirchenraum ent­stehen. Aus einer "stolzen Predigt-Kirche“ sollte eine "demütige Sakraments-Kirche“ werden, hieß es im Jahre 1950.

 

Aber die Melanchthonkirche behielt auch nach dieser Umgestaltung ihren Eigensinn und erst recht nach der Renovierung 1999 trat ihre "rundliche Figur“ wieder stärker in den Vorgrund – sowohl durch die Neugestaltung des Altarraumes als auch durch die halbrunde Anordnung der Bänke. Der so entstandene Freiraum in der Kirchenmitte wird seither für liturgische Inszenie­rungen wie für ein reiches Kulturprogramm genutzt.

 

Gottesdienst- und Ausstellungs-Raum

Inwiefern ein Gottesdienst-Raum zugleich Ausstellungs-Raum sein kann, macht die Melanchthonkirche exemplarisch anschaulich. Ihre schlichte Gestaltung und die ausgewogene Gliederung des Innenraumes ermöglichen es, dass Werke namhafter Künstler und Künstlerinnen über Wochen und Monate den Kirchenraum prägen, ohne ihm etwas von seinem sakralen Charakter zu nehmen. Dank ihrer formalen Klarheit strahlt die Melanchthonkirche bei all ihrer Wandelbarkeit kontinuierlich eine große Ruhe, Erhaben­heit und Gelassenheit auf all jene aus, die die laute Königsallee hinter sich lassend das Got­teshaus betreten.