"Herrlich" – Bischof Jan Janssen über die Alexanderkirche

"Herrlich" – Bischof Jan Janssen über die Alexanderkirche

Foto: Markus Löwe

Herrlich! Mitten in der Stadt Wildeshausen so ein weiter Platz! Eindrucksvoll erhebt sich hier aus Feld- und Backsteinen die Alexanderkirche und zieht seit 800 Jahren viele Generationen von Menschen an. Inzwischen ist sie rundherum umgeben von der Betriebsamkeit des angrenzenden alten Gemeindehauses im Remter und mancher Behörde umzu.

 

Nach dem letzten Straßendurchlass öffnet sich zwischen den Altstadthäusern mit der Herrlichkeit ein ruhiger zentraler Kern des Ortes, der von hohen Bäumen und viel Grün umgeben ist und zum alten Amtshaus führt.  Herrlichkeit ist nicht nur hier, sondern auch in anderen oldenburgischen Landen wie Friesland zunächst ein alter politischer Begriff. Der regional regierende Herr, hier im Nordwesten Deutschlands oft auch der lokale, zeitweise Häuptling genannte Herr, stand in der Verantwortung für seine Herrlichkeit, seinen Regierungsbezirk oder seinen Regierungssitz wie im Fall von Wildeshausen.

 

Zum Zupacken nicht zu schade

Biblisch gehört die Herrlichkeit zuerst Gott selbst. Davon singen viele Psalmen, auch dieser Psalm 113: Der HERR ist hoch – und niemand anderes! Gott hat ein Auge und ein Herz für alle Völker – ohne irgendeine provinzielle oder nationale Grenze! Seine Herrlichkeit reicht, so weit der Himmel ist – und der reicht über jeden Gartenzaun, jede Kirchenmauer und jede Stadtgrenze hinaus. Diese besonderen Eigenschaften Gottes zwischen Himmel und Erde werden jedoch trotzdem verglichen mit den Erfahrungen im Alltag der Menschen: Wer ist wie der HERR, unser Gott, im Himmel und auf Erden?

 

Und wer das hört, denkt es weiter: Ja, Gott ist wohl doch ein ganz anderer, als wir uns vorstellen können! Dieser biblisch bezeugte Gott ist nicht einfach nur oben, abgehoben und abstrakt, sondern nah und namentlich ansprechbar. Gott schaut in die Tiefe – und er betrachtet nicht nur als Zuschauer, was er da sieht. Gott nimmt wahr, was geschieht und ist helfend zur Hand. Gott ist einer, der den Geringen aufrichtet aus dem Staube und erhöht den Armen aus dem Schmutz.

 

Gott wird mit diesen kräftigen Bildern, nicht mit Pracht und Herrlichkeit beschrieben. Gott ist einer, der sich im Aufrichten zum Zupacken nicht zu schade ist und der sich im Aufheben zur Not auch mal die Hände schmutzig macht. Gerade angesichts des ehemaligen regionalen Machtzentrums in Wildeshausen, woran das Straßenschild Herrlichkeit erinnert, ist doch bemerkenswert, dass Gott unsere gewohnt bewohnte Welt und ihr Verhältnisse von Oben und Unten auf den Kopf stellt.

 

Ist die Herrlichkeit Gottes ein Ort?

Denn Psalm 113 sagt, dass er gerade die Geringen und Armen neben die Fürsten, setzt, also auf eine Ebene und Augenhöhe mit denen, die sonst fürstlich einhergehen oder von den andern als solche hoch angesehen gelten. Die alte Basilika Alexanderkirche steht äußerlich wie innerlich als sichtbares Bild für Gottes spürbares Wirken. Wie eine Schutzburg ruht sie im Zentrum des Geschehens, wie ein Zufluchtsort öffnet sie den Menschen ihre Türen.

 

Sie ist als herrlicher Raum der Stille zu erleben und strahlt etwas von ihrer großen Gelassenheit hinaus bis in die Allee mit den hohen Bäumen, bis in die Straßen der Stadt. Sie wird zu einem begeisternden Raum des Jubels, wenn sich die Stimmen und Instrumente der Musik in ihr entfalten und von der Herrlichkeit Gottes schwärmen wie die Psalmen der Bibel.

 

Inwiefern ist aber die Herrlichkeit Gottes überhaupt ein Ort? Manche Worte klingen auf den ersten Blick, als ging es um einen Zeitraum, ähnlich dem Gedanken der Ewigkeit. Andere biblische Worte, vor allem aus 2. und 4. Mose, die vom AuszugIsraels aus Ägypten erzählen, sehen in der Herrlichkeit des Herrn eine Art Begleiterin, die ihn umgibt, zugleich vor dem direkten Anblick schützt und doch erahnen lässt, wo Gott gerade mit seinem Volk auf dem Weg ist. Auch mit einem Kleid (Hiob 40,10) oder gar einem Gefährt Gottes (Hes 1,28) ist sie vergleichbar. Und manchmal meint sie die ganz alltägliche Ausstrahlung oder Wirkung von Gottes Geschöpfen (Jes 10,3 und 18).

 

Dass wir auch selber Licht der Welt werden

Immerhin fragen zwei Jünger Jesus nach freien Sitzplätzen an einem Tisch, der offenbar an diesem Ort steht: Gib uns, dass wir sitzen einer zu deiner Rechten und einer zu deiner Linken in deiner Herrlichkeit (Mk 10,37). Jesus lehnt diese Platzgarantie ab, weil sie das hierarchische Interesse der Mächtigen stützen würde. Jesus sagt aber, welchen himmlischen Regeln Menschen auch im irdischen Miteinander folgen sollen: wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein (Mk 10,43).

 

Was uns im Herzen eingeleuchtet hat – so schreibt der Apostel Paulus einmal  – das sollen wir weitergeben mit unseren Stimmen, Gedanken, Worten und Taten, dass durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi (2. Kor 4,6). Darum ist auch das Neben- und Miteinander der verschiedenen Beteiligten einer Kommune in der Wildeshauser Herrlichkeit sinnvoll – zum Lobe Gottes und zu Nutzen den Nächsten!

 

Wir Menschen werden durch Jesus, das Licht der Welt, so beteiligt, dass wir auch selber Licht der Welt werden, und damit noch mehr Menschen ein Licht aufgeht. Diese Ausstrahlung in die Gesellschaft hinein kann konkret werden, wenn Nachbarn – darunter sind nicht nur die Polizeistation und die zwei Pfarrhäuser in der Herrlichkeit zu verstehen – sich gegenseitig wahrnehmen und einander helfen. Christengemeinde und Bürgergemeinde kommen dann zusammen und lassen sich in der gemeinsamen Gestaltung ihres Alltags von Gottes herrlicher Menschlichkeit leiten.

 

Aus: Jan Janssen, … ein Land, das ich dir zeigen will. Biblische Orte im Oldenburger Land, Lutherisches Verlagshaus 2012, Seite 42-47