Mein Haus, mein Auto, mein Boot

Morgenandacht
Mein Haus, mein Auto, mein Boot
Selig sind die innerlich Armen
04.09.2017 - 06:35
31.08.2017
Pfarrerin Angelika Obert

„Mein Haus, mein Auto, mein Boot“: Vor Jahren gab es diesen Werbespot von den zwei Männern, die Fotos von ihren Besitztümern wie Trumpfkarten voreinander ausspielten. Ich weiß noch, dass ich das widerlich fand und mich darüber aufregte. Aber nun denke ich doch: Irgendwie hat dieser Werbespot schon ins Schwarze getroffen. An einen Nerv gerührt, selbst bei mir, obwohl ich gar nicht scharf darauf bin, Haus, Auto und Boot zu besitzen. Auch wenn mich die materiellen Güter nicht sehr interessieren, auch, wenn ich gar nicht die Absicht habe zu protzen, spielt es für mein Selbstwertgefühl durchaus eine Rolle, was ich erreicht habe und vorweisen kann. Wenn ich mich frage, wer ich bin und was mein Leben ausmacht, gerate ich auch schnell ins Aufzählen: Meine Kenntnisse, meine Fähigkeiten, meine Aufgaben. Oder: Meine Familie, meine Freunde, meine Beziehungen.

 

Die innere Zufriedenheit hängt schon sehr davon ab, dass sich da etwas aufzählen und vorzeigen lässt, dass es etwas zu erzählen gibt, zum Beispiel bei einem Klassentreffen.

Und umgekehrt nagt wohl an fast Allen und auch an mir immer eine gewisse Unzufriedenheit, weil ja doch meistens etwas fehlt oder eben gar nicht so vorzeigbar ist -

all die Sachen, die ich wirklich nicht kann, die ich verbockt habe, für die ich mich schäme.

Die Defizite bohren im Untergrund. Sie sind das nicht Vorzeigbare, das möglichst verborgen bleiben soll in der Lebensbilanz.

 

Aber ist das nicht normal? Was gibt es darüber nachzudenken? Ich möchte nur wissen, warum die Bibel an prominenter Stelle gerade diese Normalität in Frage stellt. „Selig, also glücklich sind die innerlich Armen, denn ihnen gehört das Himmelreich“ – so sagt es die erste der Seligpreisungen Jesu. Das Glück, so wird hier behauptet, liegt gerade jenseits von dem, was ihr vorzuweisen habt – nicht nur an Besitz, sondern auch an allem andern, was ihr so könnt und erreicht habt. Glücklich sind diejenigen, die sich nicht an das Vorzeigbare klammern. Glücklich seid ihr, wenn euch eure inneren Trumpfkarten abhanden kommen. Wenn es für euch nichts mehr darzustellen gibt, wenn euch eure innere Dürftigkeit und Bedürftigkeit erwischt.

 

Das ist nun doch kaum zu verstehen. Was soll denn das auch für ein Glück sein: „Ihnen gehört das Himmelreich“? Was merke ich denn vom Himmelreich, wenn mir die Felle wegschwimmen, wenn ich wirklich arm dastehe und mich erbärmlich finde? Darüber habe ich lange nachgegrübelt. Irgendwann dann tauchte eine Erinnerung auf an früher, eine Erinnerung an Stunden, in denen ich mich wirklich sehr armselig fühlte und fand, dass ich bloß schief im Leben stehe und es niemals zu etwas bringen werde. Ich weiß gar nicht mehr, was der Grund war – ob Liebeskummer oder eine verpatzte Prüfung. Ich weiß nur ganz gut: Solche Stunden gab es – und sie waren nicht nur verzweifelt, sie hatten auch ihren eigenen Glanz. Denn das waren die Stunden, in denen Janis Joplin und Bobby McGee mich begleiteten. Und wie schrecklich mir auch alles vorkommen mochte, selig war ich jedenfalls, wenn Janis Joplin sang: Freedom‘s just another word for nothin left to lose. Freiheit ist nur ein anderes Wort dafür, nichts mehr zu verlieren zu haben. Doch, es durchrieseln mich heute noch die Glücksschauer, wenn ich nur die ersten Takte von Me and Bobby McGee höre.

 

War das nun das Himmelreich? Das will ich nicht behaupten. Aber eine Fährte dahin vielleicht. Denn sicher geht es immer um Freiheit, wenn Jesus vom Himmelreich spricht. Natürlich kann ich nicht wirklich frei sein, solange mein Glück davon abhängt, was ich vorzuweisen habe. Weil ich dann ja vor jedem Verlust eine Heidenangst haben muss. Weil alles, was nicht gelingt, dann immer verborgen werden muss. Glücklich sind die, die sich nicht an ihre Erfolgsgeschichte klammern, die frei sind vom Vorzeigbaren. Vielleicht ist es so gemeint.

 

Schon wahr: So frei will ich gar nicht sein, dass ich nichts mehr zu verlieren hätte. Da hänge ich dann doch an meinen Ketten. Es macht aber schon einen Unterschied, ob ich eine Ahnung vom Himmelreich habe oder nicht.

31.08.2017
Pfarrerin Angelika Obert