In die Asche gehen

Wort zum Tage
In die Asche gehen
18.02.2015 - 06:23
05.01.2015
Ulrike Greim

Ich mag diesen Geruch nicht. Etwas holzig-würzig, vor allem beißend. Er liegt in der Luft und man bekommt ihn schlecht weg. Viele Male muss man lüften, ehe er geht.

 

Ich kenne ihn aus meiner Kindheit. Wir hatten einen offenen Kamin. Sehr schöne Sache das. Das Feuer brennt, es knistert, es wird wohlig und warm, die Gespräche werden intimer. Aber eben der nächste Morgen. Da kokelt noch das letzte Holzscheit vor sich hin, der Rest ist Asche, grau-schwarze Teilchen, die schnell verfallen, sehr fragil. Jeder Windstoß ist gefährlich. Sie färben fürchterlich. Und eben: sie stinken. Beißend. Das Saubermachen ist immer die unangenehme Aufgabe nach dem Feiern. Die meisten heutigen Öfen sind so konstruiert, dass man mit der Asche so wenig wie möglich zu tun haben muss. Man bekommt sie möglichst gar nicht an die Hände. Dabei ist es auch heilsam, zu sehen, wie alles zerfällt. Der grobe Holzklotz wie das feine Scheit. Es bleibt kaum etwas übrig.

 

Die alten Mystiker haben sich vor die Asche gesetzt und darüber meditiert. Tief geatmet, um zu verinnerlichen, wie Asche ist. Und wie wir Menschen zu Asche werden. Eines Tages. Der Ehering, oder vielleicht etwas Zahngold – mehr wird nicht übrig bleiben. Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zum Staube.

 

Sich das vor Augen zu stellen, ist eine schwere Übung. Damit sie gelingt, soll man vorher feiern und ausgelassen sein. Denn das, was ab Aschermittwoch beginnt, ist harte Arbeit. Es ist nicht das Sehen und Gesehen-Werden, es ist nicht das Dazugehören zur Gesellschaft. Es ist etwas sehr Einsames. Die Erkenntnis: viel wird nicht bleiben. Nach dem Ende.

 

Ernüchternd. So ist es – am Tag danach. Am Tag nach Fastnacht. Am Tag, nachdem man gerne die Welt auf den Kopf stellt. Heute kommt sie wieder auf die Füße. Wohl dem, der das verkraftet. Reduziert zu werden auf das Realistische. Etwas für Fortgeschrittene.

 

Wie für den König von Ninive in der Geschichte des Propheten Jona. Der König, der in Saus und Braus lebt, ohne Rücksicht auf Verluste – wie seine ganze Stadt. Und dem plötzlich klar wird, was sein Lebensstil anrichtet. Wenn wir so weitermachen, werden wir untergehen. Jona hatte es ihm gesagt. Jetzt sieht der König klar. Sieht das Ende vor sich. Da geht er in Sack und Asche.

 

Er drosselt sein Tempo, er erträgt den Geruch von Asche, er stellt sich der Realität. Und ist bereit, zu verzichten. Denn er bedenkt die Geschichte vom Ende her. Er sucht den Kontakt zum Allmächtigen. So rettet er seine Stadt.

 

Und Ninive wird verschont und darf leben.

05.01.2015
Ulrike Greim