Eintauchen in Gott: Die Taufe

Evangelischer Rundfunkgottesdienst

Foto: ©Kirchengemeinde Wellingsbüttel

Eintauchen in Gott: Die Taufe
Rundfunkgottesdienst aus der Lutherkirche Hamburg
12.01.2020 - 10:05
03.01.2020
Gesina Bräunig
Über die Sendung

Eben haben wir noch Weihnachten gefeiert und das Kind in der Krippe vor Augen gehabt. Und nun begegnen wir schon dem 30-jährigen Jesus am Ufer des Jordan bei seiner Taufe, seinem „Eintauchen in Gott“. Dieses Ereignis steht im Mittelpunkt des Gottesdienstes.

„Bei der Taufe öffnet sich die Tür in eine andere Wirklichkeit, eine Luke zum Himmel“, sagt Pastorin Gesina Bräunig, die die Predigt hält.

Der Kirchenmusiker Moritz Schott musiziert gemeinsam mit dem Trompetentrio BoLeRo und dem Paukisten Dr. Carl-Christian Koch. Die Besetzung verspricht festliche Musik zum Thema des Sonntags.

Daneben wirken Dr. Till Wiese und Jürgen Broede mit; sie sind Mitglieder des Kirchengemeinderats.

Die Lutherkirche liegt mitten im Hamburger Stadtteil Wellingsbüttel. Sie wurde 1937 eingeweiht und erinnert in Teilen an ein norddeutsches Bauernhaus.

 

 

Gottesdienst nachhören

 

Den Gottesdienstmitschnitt finden Sie auch direkt unter http://www.deutschlandradio.de/audio-archiv.260.de.html?drau:broadcast_id=122

Predigt zum Nachlesen

Gnade sei mit Euch und Friede von dem der da war, der da ist und der da kommt. Amen.

 

1. Erwachsen werden

„Wie kommt man zur Welt?

Wie man eben zur Welt kommt auf der Welt.

Meistens freuen sich dann alle.

Nur Mut, denkt sich Gott.

Und legt sich Maria unters Herz.

Gut ist es da.

Wenn auch nicht ohne Risiko.

Besondere Umstände eben.

Wie wird man erwachsen auf der Welt?

Wie man eben erwachsen wird auf der Welt.“

 

Es dauert scheinbar ewig.

Bis man weiß, wer man ist.

Wer man sein möchte.

Bis man diese Zeit überstanden hat.

Hormonkarussell.

Nicht Fisch – nicht Fleisch.

Bis der Körper seine erwachsene Form angenommen hat.

Und die Seele auch.

Rückblickend geht es unheimlich schnell.

Das höre ich als Pastorin immer wieder:

„Gerade erst sind die Kinder zur Welt gekommen.

Wir haben Einschulung gefeiert.

Konfirmation.

Und plötzlich sind sie erwachsen.

Stehen als 30-jährige vor uns.

Gehen ihrer eigenen Wege.“

 

2. Von Weihnachten zur Taufe –

ein kurzer Weg

Verdammt schnell ist er erwachsen geworden.

Gerade erst habe ich mit Hirten und Königen gemeinsam an der Krippe gestanden und das Jesuskind bestaunt.

Habe ihm mein Herz geöffnet.

Heute, zweieinhalb Wochen später, kommt ein erwachsener Jesus daher.

Ein gestandener Dreißigjähriger.

Er trifft seine eigenen Entscheidungen:

Lässt Hammer und Nägel in Nazareth.

Zieht los.

Es muss doch mehr als alles geben.

Jesus hört von Johannes, der die Menschen tauft.

Die Welt soll anders werden.

Viele strömen zu ihm an den Fluss.

Am Jordan versammeln sie sich.

Alle, die etwas ändern wollen.

An ihrem Leben.

Die niedergedrückt sind davon, wie es bisher war.

Die keine Zukunft sehen.

Es kommen auch einige von denen, die mit allen Wassern gewaschen sind und doch nicht mit sich ins Reine kommen.

Sie alle lassen sich taufen.

Das Wasser wäscht sie rein.

All das, was die Menschen davon trennt, so zu sein, wie sie sein möchten,

all das, was sie von Gott trennt, spült der Fluss hinfort.

Die Taufe – Zeichen für einen neuen Anfang.

„Ich will mich taufen lassen“, entscheidet Jesus.

Von Johannes.

Im Jordan.

 

 

3. Die Tauferinnerung am Jordan

Ich stehe am Jordan.

Nahe beim See Genezareth.

Im Yardenit Baptesimal Center.

Hier soll Johannes Jesus getauft haben.

Historisch betrachtet liegt die Taufstelle weiter flussabwärts.

Im Westjordanland.

Doch es ist schwer für unsere Gruppe, dorthin zu reisen.

Gemeinsam mit Studierenden aus aller Welt, vor allem aus Israel und Deutschland, graben wir in Ramat Rahel, in der Nähe von Jerusalem, einen alten Palast aus.

An den Wochenenden entdecken wir gemeinsam das Heilige Land.

Fahren an die Orte, an denen Jesus einmal gewesen sein mag.

Nun also, aller Überlieferung zum Trotz, Yardenit.

Immerhin ist dort ein Zugang zum Jordan.

Wie eine Oase ist die Taufstelle angelegt.

Türkis schillert das Wasser.

Leuchtend grün die Palmen.

Ein gewaltiger Souvenirshop verspricht:

„Get baptised, get one gift for free!“

„Lassen Sie sich taufen, dann bekommen Sie ein Geschenk!“

Menschenmassen lassen sich taufen.

Hier, am Jordan.

Rampen, durch Gitter gesichert, führen ins Wasser.

Mich enttäuscht dieser Ort.

Simon, einen Studenten aus Amerika, berührt er.

„Ich will mich taufen lassen“, sagt er.

Wir horchen auf.

Erleben wir gleich eine echte Jordantaufe?

Unser Professor ist mit uns unterwegs.

Er könnte ihn taufen, denn er ist auch Pfarrer.

Der Professor fragt Simon: „Bist Du denn noch nicht getauft?“

„Nein!“, versichert der.

„Ich glaube an Jesus. Aber ich bin nicht getauft!“

Ein kurzes Taufgespräch am Fluss.

Alle beginnen zu organisieren:

Würdigere Kleidung als T-Shirt und Shorts für den Professor.

Ein Taufkleid für den Täufling.

Der Souvenirshop bietet alles, was das Herz begehrt.

Schließlich steigen Simon und der Professor tatsächlich in den Jordan.

Sie stehen bereits bis zu den Knien im Wasser, als Simon Skrupel bekommt und leise gesteht: „Ich bin doch schon getauft. Aber ich kann mich nicht mehr daran erinnern. Ich würde so gerne die Taufe hier an diesem Ort erleben.“

Unser Professor stutzt.

„Ich kann Dich nicht taufen“, sagt er, „denn die Taufe ist einmalig. Egal, ob Du Dich an Deine Taufe erinnern kannst oder nicht. Aber ich biete Dir an, Dich hier, im Jordan, an Deine Taufe zu erinnern.“

Die beiden Männer stehen im Fluss.

Wir stehen am Ufer und lassen uns anrühren von der einmaligen Szene, die wir da am Jordan miterleben.

Unser Professor sagt:

„Simon, ich erinnere Dich daran:

Du bist getauft.

Du gehörst zu Jesus Christus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen.“

Mit Jordanwasser zeichnet er dem jungen Mann ein Kreuz auf die Stirn.

An diese besondere Tauferinnerung wird Simon sich sicher immer erinnern.

Die Taufe ist ein einmaliges Erlebnis.

 

4. Johannes erinnert sich an Jesu Taufe

Es war einmalig.

Ein heißer Tag.

Die Luft flimmerte.

Es gab keinen Schatten in der staubtrockenen Ebene.

Die rote Erde glühte.

Auch an diesem Tag waren wieder viele Menschen zu mir gekommen.

An den Fluss.

Da kam ein Mann den Tamariskenbewachsenen Pfad entlang.

Er war so ganz anders als die anderen.

Er wirkte so hell.

So heil.

Trotzdem stellte er sich in die lange Schlange.

Wartete.

Reihte sich ein in all jene, die einen Neuanfang brauchten.

Mit Ausgetricksten, Verlorenen und Angeschossenen stellte er sich in eine Reihe.

Immer wieder schaute ich zu ihm.

Fragte mich, was er hier will.

Dann war er an der Reihe.

„Tauf mich, Johannes“, sagte er.

Aber ich wollte nicht.

Er war so anders als die vielen, die ich unter Wasser getaucht habe.

Er war ohne Schuld.

Warum sollte ich ihn taufen?

Was sollte der Fluss von ihm abwaschen?

Ich wollte, dass er mich tauft.

Aber er hat es nicht getan.

„Lass es zu!“, sagte er zu mir.

Da ließ ich es geschehen und taufte Jesus.

In diesem Moment öffnete sich der Himmel.

Der Fluss war still.

Die Menschen ringsum waren still.

Ja, sogar die Vögel haben geschwiegen.

Bis auf eine Taube.

Wir hörten eine Stimme:

„Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“

Wir alle sollten es wissen:

Jesus ist Gottes Sohn.

Gott ist Mensch geworden.

Das war der Anfang seines Weges.

Er hat die Welt verändert.

Leider haben es viele erst zu spät erkannt.

„Dieser ist wahrlich Gottes Sohn gewesen.“

Im Jordan haben seine Füße meine Füße berührt.

Seine Taufe war meine Taufe.

Gott hat mich eingetaucht in eine neue Wirklichkeit.

Seither kann ich ihn in mir spüren.

 

5. Der Himmel geht auf

Seine Taufe war meine Taufe.

Seit mir das Wasser vom Kopf tropfte, gehöre auch ich zu ihm.

Zu Jesus Christus.

Dem Gekreuzigten und Auferstandenen.

Durch die Taufe bin ich Gottes geliebtes Kind.

Genau wie Jesus.

Durch die Taufe gehöre ich zu Gottes weltweiter Gemeinschaft.

Erinnere Dich an Deine Taufe!

Seit Deiner Taufe ist Gott Teil Deiner Wirklichkeit.

Was das bedeutet, kann ich nicht ins letzte verstehen.

Es bleibt ein Geheimnis.

Ich kann diesem Geheimnis nachspüren.

Der Wirkung und der Kraft, die die Taufe hat.

Einmal vollzogen – vielleicht in nicht erinnerbaren Kindertagen – für immer wirksam.

Die Taufe eröffnet sich mir, wenn ich mich ihr öffne.

Wie das gehen kann?

Indem ich mich erinnere, was meine Taufe für mein Leben bedeutet.

Wie Martin Luther, der immer wieder, wenn es ihm schlecht ging, mit Kreide auf seinen Schreibtisch schrieb: „Ich bin getauft“.

Ich kann das auch in Gedanken tun.

Jederzeit.

„Ich bin getauft.“

Ich gehöre zu Gott.

Ich muss dafür nichts leisten.

Keine Hürde nehmen.

Getauft zu leben, bedeutet, mich selbst, mein ganzes Leben, Gott anheimzustellen.

Das fällt mir oft schwer.

Weil ich so mit mir selbst beschäftigt bin.

Damit, meinen Lebensweg zu gehen.

Getauft zu leben, bedeutet, Gott in mir geschehen zu lassen.

Jederzeit.

Und zu vertrauen:

Sich von Gott gehen zu lassen.

„Er führet mich auf rechter Straße...“

Getauft zu leben bedeutet, mein Herz zu öffnen.

Und „Ja“ zu sagen.

Weil Gott es tut.

Zu allem an mir.

Und zu den anderen.

Und zum Leben.

Ich bin getauft.

Auch in meinem Leben geht der Himmel auf.

Der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

03.01.2020
Gesina Bräunig