Herr, höre meine Stimme

Evangelischer Rundfunkgottesdienst

Bild: Klaus Bergmann

Herr, höre meine Stimme
Rundfunkgottesdienst aus der Martin-Luther-Kirche in Bad Schwartau
02.06.2019 - 10:05
07.02.2019
Klaus Bergmann
Über die Sendung

Hören und Gehör finden ist beglückend und macht Mut zum Leben. Gemeinsam singen und feiern stärkt eine lebendige Gemeinde und lässt sie „hörbar“ leuchten auch für andere. Zu einem fröhlichen Gottesdienst am Sonntag Exaudi „Herr, höre meine Stimme“ lädt die Martin-Luther-Gemeinde Bad Schwartau ein. „Hören und Gehör finden - beides fällt leicht, wenn ich mit ganzem Herzen dabei bin“, findet Pastor Klaus Bergmann in seiner Predigt.

 

Traditionelle Choräle wie „Tut mir auf die schöne Pforte“ werden ebenso gesungen wie moderne Kirchenlieder und Gospel. Seit mehr als 20 Jahren pflegt die Gemeinde über ihren Gospelchor Freundschaft mit einer schwedischen Gemeinde in Oskarshamn. Daraus ist die Freude an der Gospelmusik und an der schwedischen Messe entstanden. „Vermutlich sind wir die einzige Gemeinde in ganz Deutschland, die einmal im Monat die Lutherische Messe nach schwedischem Vorbild feiert“, meint Pastor Klaus Bergmann.

 

Die Martin-Luther-Gemeinde in Bad Schwartau entstand nach dem 2. Weltkrieg, nachdem Flüchtlinge überwiegend aus Pommern hier Heimat gefunden hatten. Sie gründeten eine Gemeinde, bauten eine Siedlung und ihre Kirche mit Gemeindehaus und Pfarrwohnung. Sie gehört zur Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK), deren Gemeinden über ganz Deutschland verbreitet sind. Sie weiß sich verbunden mit lutherischen Bekenntniskirchen in der ganzen Welt und ist in der Ökumene mit vielen anderen Kirchen im Gespräch.

 

Im Gottesdienst am 2. Juni wird Kantor Nathanael Kläs die Andresen-Orgel von 1984 zum Klingen bringen. Er leitet auch den Gospelchor „Spirit of Joy“ und begleitet an den Tasten Helge Tischler, der Posaune spielt.

„Hören und Gehör finden- beides fällt leicht, wenn ich mit ganzem Herzen dabei bin“, findet Pastor Klaus Bergmann in seiner Predigt.

 

 

Folgende Lieder werden von der Gemeinde im Gottesdienst gesungen:

„Tut mir auf die schöne Pforte“, EG 166, 1, 2, und 6.

„Heilger Geist, du Tröster mein“, EG 128, 1, 4, 5 und 6.

 

 

Gottesdienst nachhören

 

Den Gottesdienstmitschnitt finden Sie auch direkt unter http://www.deutschlandradio.de/audio-archiv.260.de.html?drau:broadcast_id=122

Predigt zum Nachlesen
 

Liebe Gemeinde,

„Du hörst mir ja gar nicht richtig zu.“ Ärgerlich. Wie schnell kann uns das passieren. Wir werden abgelenkt. Und dann gehen die Worte unseres Gegenübers an uns vorbei.

Vielleicht sind wir auch einfach bei einem losen Faden des Gesprächs hängen geblieben, haben ihn für uns weitergesponnen und darüber den Anschluss verloren. Eine alltägliche Erfahrung, ganz ohne böse Absicht, die uns manchmal auch erst später einholt. Wenn nämlich unser Gegenüber merkt, dass wir seinen Worten gar nicht gefolgt sind.

Bisweilen hören wir nur das, was wir hören wollen. Was nicht in unser Denkschema passt, blenden wir gern aus. Wir hören zwar die Worte, die der andere sagt, aber wir wollen uns nicht mit ihnen auseinandersetzen. Dabei ist Hören wunderbar. Viel mehr als nur ein rein akustisches Geschehen. Denn es zielt darauf ab, die Worte zu verstehen, sie vom Ohr zum Herzen gelangen zu lassen.

König Salomo, der später für seine Weisheit gerühmt wird, hat vor seinem Amtsantritt Gott um ein „hörendes Herz“ gebeten.

Wir haben eben die Geschichte in der Lesung gehört:

„Der HERR erscheint Salomo nachts im Traum und forderte ihn auf: Sprich eine Bitte aus, die ich dir gewähren soll!“ (1Kön 3,5)

Und Salomo bittet: „Gib deinem Knecht ein hörendes Herz, damit er dein Volk zu regieren und das Gute vom Bösen zu unterscheiden versteht!“ (1Könige 3,9)

Das kommt überraschend.

Denn diese Bitte hätte wohl niemand von ihm erwartet. Nach dem Tod seines Vaters, dem großen König David von Israel, ringen mehrere Anwärter um den Thron. In dieser Phase erweist sich der junge Salomo als skrupelloser Machtpolitiker. Mit Gewalt und Schrecken festigt er seine Macht. So wie viele vor und viele nach ihm.

Als nun Gott Salomo eine Bitte gewährt, hätte jeder erwartet: Salomo bittet um Reichtum, Tod seiner Feinde, Sicherung seiner Macht und ein langes Leben.

Doch überraschender Weise bittet Salomo um ein hörendes Herz. Anscheinend fragt sich der junge Herrscher, bevor er offiziell König und Richter in Israel wird: „Was ist wirklich wichtig für meinen Dienst? Was brauche ich besonders dringend für die bevorstehenden Aufgaben? Wie kann ich für meine Leute da sein?“ Salomo wird klar: „Ich kann nur ein guter Herrscher sein, wenn ich in mein Volk hineinhöre und die Menschen verstehe. Dafür brauche ich ein hörendes Herz!“

Nach biblischen Verständnis meint das Herz den ganzen Menschen – nicht nur das Gefühl. In der Mitte der Person – im Herzen – kommen Denken, Fühlen und Wollen zusammen. Man hört nur mit dem Herzen gut.

 

Salomo sehnt sich danach, Menschen zu verstehen. Er streckt sich danach aus. Vermutlich weil er merkt – mir gelingt das nicht… zumindest nicht immer. Und weil er spürt, wie wichtig es ist hinzuhören auf das, was seine Leute bewegt.

 

Heute stellen sich viele Menschen ähnliche Fragen wie Salomo: Mütter und Väter, Erzieherinnen und Abteilungsleiter, Politiker und Managerinnen. Menschen, die für andere da sein müssen, die leiten, erziehen und begleiten sollen. Die Entscheidungen fällen müssen. Und die dabei oft mit Hindernissen zu kämpfen haben. Dass sie nicht immer Kontakt finden zu den Menschen, für die sie da sein wollen. Dass sie auf verschlossene Ohren und Herzen treffen. Das ist frustrierend.

Manche berichten auch von Enttäuschung über sich selber. Dass sie nicht aufmerksam waren, nicht hingehört, nicht wahrgenommen haben, was anderen am Herzen liegt. Dass ihre eigenen Ohren verschlossen waren und ihr Herz dicht gemacht hat.

 

Wir teilen diese Erfahrung. Jeder Mensch braucht Aufmerksamkeit, Bestätigung und Wertschätzung. Jeder Mensch möchte gehört, gesehen und beachtet werden. Aber was wir selber nötig haben, können wir anderen häufig nicht geben. Weil wir abgelenkt sind und uns ablenken lassen. Weil wir zuweilen auch gefangen sind in unserer eigenen Gedanken- und Gefühlswelt. Dann fällt es uns schwer die andere Person zu hören, weil die eigenen inneren Stimmen so laut sind.

 

Achtsamkeit ist der erste Schritt, um aus dem Teufelskreis aus Nicht Gehört Werden und Selbst Nicht Hören herauszufinden. Achtsamkeit bedeutet, meinen eigenen Gefühlen Raum geben, meine Gedanken und Impulse wahrnehmen, in meinen Körper hinein spüren, mich selber ernst nehmen, damit ich dann auch mein Gegenüber ernst nehmen kann.

 

Achtsam sein. Das ist auch Salomo wichtig. Allerdings geht er einen Schritt weiter: Aufmerksam ist er auch auf Gott. Achtsam auf die leise Stimme des Herrn, die im Lärm des Alltags zu Wort kommen will. Aufmerksam für Gottes Wort, das ihm ein Gegenüber ist. Das ihn anspricht. Das ihn herausholt aus seiner Gedankenblase und ihm Ziel und Richtung weist.

 

Hören und gehört werden. Diese Erfahrung tut jedem Menschen gut. Du redest mit einem Freund. Bei dir läuft es auf der Arbeit gerade ziemlich schlecht. Mit den Kollegen kannst Du darüber nicht reden. Und deine Partnerin weiß auch nicht so recht, was sie dazu sagen soll. Dein Freund hat ein offenes Ohr für dich. Er kann sich gut in deine Lage hineinversetzen. Er versteht die Zwänge in denen du steckst. „Das tut so gut, endlich einmal alles sagen zu können, endlich einmal alles los zu werden, was mir auf der Seele liegt“, sagst du nachher. Du fühlst dich befreit, weil du gehört wurdest. Du hast Aufmerksamkeit, Bestätigung und Wertschätzung bekommen.

So ähnlich ist das mit dem Kontakt zu Gott: Gottes Ohren sind weit offen. Mit seinem ganzen Wesen offen für alles, was dich bewegt. „Ich bin für dich da“ sagt Gott zu dir. „Ich sorge für dich. Sag, was du nötig hast.“

 

In unserer Geschichte sucht Salomo die Stille. Er wird gehört, gesehen und beachtet. Und er hört. Hört auf Gott. Innehalten und aufmerksam sein. Sich neu ausrichten. Unterscheiden, was wichtig und unwichtig ist. Und erbitten, was wirklich hilft.

 

Das hörende Herz ist eine Gabe Gottes. Tatsächlich: Beherzt und beherzigend einander zuzuhören ist ein wunderbares Geschenk. Und dieses Geschenk sollen wir wie jede andere Gottesgabe gebrauchen. Salomo nutzt sein hörendes Herz. Und das verändert seine Einstellung zu seiner Aufgabe als König grundlegend. Im Gebet zu Gott bezeichnet Salomo sich nicht als Herrscher, sondern als Knecht, denn sein hörendes Herz schlägt für den Nächsten. Er kann sich in ihn hineinversetzen und versucht, ihm zu dienen. Dennoch findet sein hörendes Herz den Abstand zu der eigenen Situation, weil er auf Gott hört.

„Du sollst Gott deinen Herrn lieben… und deinen Nächsten wie dich selbst.“ (Mk 12,30f) So bezeichnet Jesus Christus das höchste und größte Gebot. Er stellt jeden von uns in Beziehung zu Gott, zu unseren Nächsten und zu uns selbst. Das hörende Herz schlägt mitten in diesem Spannungsfeld. Es hört auf sich, hört auf den Nächsten und hört auf Gott.

Weise und verständig wird Salomo genannt, weil er die Ohren seines Herzens immer wieder in diese drei Richtungen ausrichtet. So findet ein Wandel statt. Salomos Handeln baut nun nicht länger auf die Gewalt, sondern auf die Liebe. Er verfolgt nun die Ziele, die der Verständigung, dem Frieden, der Gemeinschaft dienen.

Das gefällt Gott gut. Denn er lobt Salomo, weil er nicht um langes Leben, Reichtum oder Tod seiner Feinde bittet. Salomo handelt hier, wie es auch Jesus in der Bergpredigt fordert: „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen.“ (Mt 6,33).

 

Stellt euch das mal vor: Immer mehr Menschen lassen sich von einem hörenden Herzen leiten. Politikerinnen und Politiker bei ihren Entscheidungen, Ärzte in den Sprechstunden, Lehrerinnen im Klassenzimmer, Vorgesetzte in den Betrieben, Beamte, Eltern, Nachbarn, Freunde… Menschen begegnen sich mit einem hörenden Herzen. Und wir mittendrin. Und auch wir lassen uns von Gott mit diesem Herzen beschenken und üben uns darin, es zu benutzen. Stellt euch das vor!

 

„Schenke mir, Gott, ein hörendes Herz.“

Diese Bitte ist entscheidend wichtig. Nicht nur für Salomo. Auch für uns. Ein Herz, das offen und empfänglich ist für das, was die Menschen bewegt. Ein Herz das achtsam ist auf sich und auf Gott. Um dieses Herz bitte ich. Immer wieder.

Amen

 

 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

07.02.2019
Klaus Bergmann