Frischer Wind durch neue Pfeifen

St. Matthäus Kirche Erlangen

Frischer Wind durch neue Pfeifen
Gottesdienst-Live-Übertragung aus der St.-Matthäuskirche in Erlangen
03.06.2022 - 10:05
26.11.2021
Julia Rittner-Kopp
Über die Sendung:

Was feiern Christinnen und Christen an Pfingsten? Es hat mit stürmischem Wind zu tun, mit Feuerflammen und Heiliger Geistkraft. Pfarrerin Julia Rittner-Kopp predigt aus Erlangen, das Vokalensemble St. Matthäus singt Pfingstchoräle. 

 

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Predigt zum Nachlesen

Was Pfingstrosen, Orgelmusik und der Heilige Geist gemeinsam haben…

 

Die Pfingstrose, liebe Hörerinnen und Hörer/liebe Gemeinde,

die Pfingstrose ist eine richtige Power-Flower! Alles an ihr ist hundertprozentig, alles intensiv. Sie ist ein üppig blühendes, betörend duftendes Blumen-Wunder. Mit unendlich vielen Blütenblättern. Ein bisschen wie kleine Pfingstfeuerflammen. In rosa, pink, violett, dunkelrot.  

Die Pfingstrose ist nur dem Namen nach eine Rose, sie hat nichts mit der normalen Rose zu tun. Sie kommt ganz ohne Dornen aus. Ich finde, das passt gut zu Pfingsten: Eine Rose ohne Dornen. Anders als Ostern. Da sind die Dornenzeiten noch ganz nah, die Schmerzen, die Nägel. Wie Jesus am Kreuz schreit, verstummt und stirbt. Dann die dunkle Grabhöhle. Keine drei Tage vergehen - all das ist noch so gegenwärtig. Und doch: Der Herr ist auferstanden. Auch wenn die schlimmen Bilder bleiben: Zugunglück. Flutkatastrophe. Bomben, die auf Städte fallen.

Keine Rose ohne Dornen. Ja. Zum Leben gehören entsetzliche Momente, schwere, leere Zeiten, und Trauern kann unerträglich wehtun. Ostern gibt es nicht ohne das, nicht ohne Todesangst und Ende. Die Dornen gehören dazu wie zur Rose.

Aber: Pfingsten in Jerusalem, 50 Tage später - da bekommt die Freude die Überhand. Wenigstens an diesem Festtag. Leben die Fülle. Flower-Power. Verschwenderische Begeisterung, Menschen, die multi-kulti zusammenkommen, feiern wollen und dann von der Auferstehung überrascht werden. Weil Petrus und die anderen davon übersprudeln. Und ein Geist der Freude unterwegs ist. Und scheinbar alles andere wegweht.

Ja, die Heilige Geisteskraft ist eine Verschwenderin. Sie lässt alles raus, weht, wo sie will und hält nichts zurück. Blühendes Leben, Glück.

Kein Wunder, dass die Leute in Jerusalem gedacht haben: Der Petrus ist betrunken, voll mit gutem Wein - lustig, verrückt, nicht ganz dicht. Ja, genau: mit so einem weiten Herzen, so einem offenen Blick das Leben anschauen. Mein Leben. Die Menschen meines Lebens. Die Schönheit, die um mich herum wächst und blüht und duftet und reift. Wie die Pfingstrose eben…

Ich liebe das. Ich will das. So sehr. Wenigstens an Pfingsten.

Mich mit einer Kraft verbinden, sie spüren, neue Lebenskraft.

Ich brauch das wie ein Gegenbild.

Wenn´s doch so wäre: Die Welt verwandelt sich.

Die Niezufriedenen, die Miesepetrigen und Neidhammel - und die Kriegstreiber - …whufffff - mit einem Windhauch - weg, verwandelt…

Und das, was dich traurig macht, auch deine Angst und das ewige Hinterfragen und Sorgen, ob du´s richtig machst… …whufffff - weg, verwandelt…

Stattdessen - steht da ein riesiger Strauß Pfingstrosen und erinnert an Gottes großzügig- belebenden Geist. Und duftet dich ins Leben zurück. Und ins Lieben.

Wir feiern den Heiligen Geist.

Üppig. Verschwenderisch. Sogar doppelt, also mit zwei Feiertagen. Wie Weihnachten, wie Ostern.

Ist das übertrieben?

Sollten wir nicht bescheidener sein? Sowieso und grundsätzlich bescheidener sein, bescheidener leben: aus gesundheitlichen Gründen und ökologischen, psychologischen, ökonomischen, medizinischen, ethischen Gründen…

Und trotzdem:

Verschwenderisch sein. Verschwenderisch leben.

Diese Kirchengemeinde zum Beispiel - St. Matthäus in Erlangen. Ihr habt über viele Jahre nicht nur eine unvorstellbare Summe Geld gesammelt - für die neue Orgel. Sondern auch viel Zeit investiert, Planungen, Sitzungen, Mühe, kreative Aktionen, viele Konzerte. Und inzwischen erklingt die Orgel hier. Neu. Mit fast 2500 Pfeifen und mit Zimbelstern… Und spielt verschwenderisch schöne Musik.

 

Alles, was Odem hat, lobe den Herrn - auch die Orgel

 

Alles Verschwendung?

Lohnt sich das?

Kann man machen, so fragen. Nur: Eine Pfingstfrage ist das nicht!

Was an Pfingsten geschieht, öffnet einen Raum, ganz weit. Darin verhallen solche Fragen wie: Lohnt sich das?

Solche Momente sind Pfingstmomente.

Alles, was Odem hat, lobe den Herrn. Halleluja!

 

„Da machte Gott der HERR den Menschen aus Staub von der Erde und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen.“ (Gen 2,7)

Und ich höre auf die Orgel, wie sie klingt - und: Es ist genau so. Ohne Luft - kein Ton. Keine Musik, kein Gotteslob, keine Stimme, keine Seele…

Jede einzelne Pfeife der Orgel muss sozusagen „beatmet“ werden.

Sonst ist sie nur eine Röhre, ein hohles Ding aus Metall oder Holz. Stumm.

Insofern ist die Orgel ein Pfingstinstrument.

Ich finde, sie und wir Menschen haben da was gemeinsam. Ohne den göttlichen Odem wären wir - leblos. Und -„was wärst du, Geist, wenn du nicht Leiber hättest, drin zu hausen“!

 

…im Plural existieren

 

Und noch was:

Wie die Orgelpfeifen, sagt man manchmal, und dann stellt sich eine Gruppe der Größe nach auf. Das hat was von Sortieren, von Ordnung, von Staunen: So unterschiedlich groß seid ihr, so verschieden und zusammen klingt ihr großartig. Zusammen seid Ihr MUSIK. Nicht nur einzelne Töne. Sondern ein ZusammenSpiel, eine Gemeinschaft….

Wir Menschen sind Zusammen-Menschen. Wir existieren im Plural, heißt es bei der Philosophin Hanna Ahrendt (vita activa). „Wirklich im Plural zu existieren bedeutet wechselseitigen Respekt vor der Individualität und Einzigartigkeit aller. Ich muss nicht genauso leben oder glauben wollen wie alle anderen“, sagt die Journalistin Carolin Emcke in ihrem Buch „Gegen den Hass“. (Carolin Emcke, Gegen den Hass, S. 196)

Verschieden sein, grundverschieden, und so sein dürfen, ja, sein wollen - so geht Lieben, so geht Leben in einer gerechten Welt. Im Plural existieren - das wäre das Rezept gegen jeden Krieg. Keine Gleichmacherei verordnen. Keinen Hass auf Fremdes hinnehmen. Sondern sich zusammentun, zusammenklingen. Alle Orgelpfeifen. Zusammen sind wir Musik.

„Das Wir definiert niemand allein“, meint Carolin Emcke. „Es entsteht, wenn Menschen zusammen handeln, und es verschwindet, wenn sie sich aufspalten. Gegen den Hass aufzubegehren, (…) sich in einem Wir zusammenzufinden, (…) das wäre eine mutige (…) und zarte Form der Macht.“ (C.E. 218)

Diese Macht, liebe Gemeinde, klingt nach Pfingsten.

 

Weltgemeinschaft der Atmenden

 

Danke für einen mit Orgelmusik erfüllten, dadurch um so weiter atmenden Gebetsraum. So lese ich im Gästebuch einer alten Kirche. (Sebalder Gästebuch, Juni 1988)

Der ganze Raum atmet, weitet sich - Orgelmusik schafft einen Raum…. Zum Lauschen, Beten, zum Mit-Singen.

Alles was Odem hat, lobe den Herrn!

Alle Menschen haben Odem, atmen. Von selbst. Vom ersten bis zum letzten Atemzug ist das so.

Ich kann eine Weile ohne Wasser, ohne Nahrung überleben, aber nicht ohne Luft, ohne Sauerstoff. Ich atme, also bin ich. Atmen ist Dasein, Leben.

Und wir sind eine Welt-Gemeinschaft der Atmenden…

Dieses Verbundensein ist ja noch ein viel größeres Wunder. Wir Menschen sind verbunden mit der ganzen Natur. Ich atme von dem, was ein Baum herschenkt, ich atme Kohlendioxid aus - und der Baum schafft damit neuen Sauerstoff.

Pfingstwunder Fotosynthese.

So verbindet der Atem alle Geschöpfe.

Und natürlich braucht es den Sauerstoff für die lebensnotwendige Ozonschicht…Seit vielen Jahrzehnten stören und zerstören wir das großartige Zusammenspiel auf unserem Planeten und in der Atmosphäre.

Treibhauseffekt. Erderwärmung. Klimakatastrophe.

Komm, Heiliger Geist!

Weh uns Luxus, Bequemlichkeit und Überfluss um die Ohren und aus den Köpfen.

Frische Projekte, frische Ideen durch neue Lebensstile, durch verwandelte Menschen.

Frischer Wind durch neue Pfeifen.

Es ist höchste Zeit für dieses Pfingst-Geist-Wunder!

Komm, Heiliger Geist!

Komm.

Mit Saus und Braus und Windstärke 12. Bewege, überrasche die ganze Welt - und zwar mit Liebe und Frieden.

Komm.

Mit jedem Einatmen. Zu jedem Menschen. Erfülle uns mit deiner Kraft.

Bis zum letzten Atemzug.

Komm!

Amen

Es gilt das gesprochene Wort.

26.11.2021
Julia Rittner-Kopp