"Unsere Wünsche und Gottes Wünsche"

Evangelische Kirche Wankendorf

"Unsere Wünsche und Gottes Wünsche"
Gottesdienst-Live-Übertragung aus der Evangelischen Kirche Wankendorf
03.04.2022 - 10:05
26.11.2021
Ulrike Jenett
Über die Sendung

Im Mittelpunkt des Gottesdienstes stehen Wünsche. „Wovon träumst du in deinen kühnsten Momenten?“, fragt Pastorin Ulrike Jenett in ihrer Predigt. Kirchenmusiker Carl-Walter Petersen übernimmt die musikalische Gestaltung.

 

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Predigt zum Nachlesen

 

I

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und unserm Herrn Jesus Christus.

 

Als ich vor Monaten das Motto für diesen Gottesdienst festgelegt habe, „Unsere Träume und Gottes Träume“, da habe ich noch nichts geahnt von dem Alptraum, in dem wir uns jetzt gerade befinden: Wo ein freundliches, weltoffenes, freies Land mitten in Europa jeden Tag weiter mit Krieg und Zerstörung überzogen wird. Und damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet, dass ausgerechnet diese Sätze aus unserem Predigttext so aktuell werden würden: „Ihr wisst, wie die Großen und Mächtigen dieser Welt ihre Völker unterdrücken. Wer die Macht hat, nutzt sie rücksichtslos aus.“

Aber genau so ist es jetzt gekommen: Der einsame Mann an seinem langen Tisch ‚nutzt seine Macht rücksichtslos aus‘, und Tag und Nacht sehen und hören wir weitere bedrückende Einzelheiten, was er damit in der Ukraine und in der halben Welt anrichtet. Und wenn ich dich heute fragen würde: ‚Wovon träumst du?‘, oder mich selbst: ‚Wovon träume ich?‘

Dann bräuchten wir vermutlich nicht lange zu überlegen: vom Frieden. Natürlich vom Frieden, wovon sonst. Dass ich aufwache und in den Nachrichten höre, dass es eine vollständige Einigung gegeben hat zwischen der Ukraine und Russland. Dass die Panzer umdrehen, keine Raketen mehr fliegen und die eingekesselten Menschen endlich herauskommen aus ihren Verstecken. Ich träume davon, dass die tapferen Verteidiger, statt Barrikaden zu bauen, ihre zerstörten Häuser wieder aufbauen. Und noch kühner träume ich davon, dass die abziehenden Truppen sogar hier und da ein Stück Brot gereicht bekommen, weil es doch auch Menschen sind, junge Männer, die zu Hause vielleicht selbst Frauen und Kinder haben und Eltern, die um sie bangen, und die nicht töten und zerstören wollten, sondern von den Befehlen eines anderen in diesen Wahnsinn getrieben wurden. Ja, von diesem Frieden, davon träume ich.

Aber um ehrlich zu sein, träume ich nicht immer nur den großen Traum vom Frieden. Manchmal schleichen sich auch noch ganz andere Träume in mein Herz. Dann träume ich davon, wie es wäre, jetzt einfach die Koffer zu packen und wegzufahren. Ab in den Urlaub. Weg von all dem Dunklen und Bedrückenden. Am Strand spazieren gehen, die Erschöpfung dieser langen Coronazeiten aus den Knochen schütteln. Zeit zu haben für Dinge, die nicht wichtig sind: verrückte Kochsendungen mit meinen Kindern schauen, den halbvollendeten Pullover aus dem letzten Urlaub weiterstricken, ein gutes Buch lesen oder die wohlige Wärme in der Badewanne genießen …

Und vielleicht ist es noch ein ganz anderer Traum, mit dem du heute Morgen hier in diesen Gottesdienst gekommen bist oder den Gottesdienst an deinem Radiogerät eingeschaltet hast: endlich den Menschen zu finden, der wirklich zu dir hält, bei all dem Auf und Ab, das du gerade durchmachst? Oder einmal bei „Germany’s Next Topmodel“ dabei zu sein, ist das dein Traum? Oder die Arbeitsstelle ausgeschrieben zu sehen, die genau zu dir passt, und dann zu erleben, dass unter all den vielen Bewerbern tatsächlich du den Zuschlag erhältst und kein anderer? Vielleicht träumst du davon, dass der Streit, in den du hineingeraten bist, sich doch noch wieder beilegen lässt. Oder auch nur davon, dass die Schmerzen, die dir schon so lange zu schaffen machen, auszuhalten sein werden. Wenigstens für diesen einen Tag.

Was ist dein Traum? Welchen Traum trägst du in deinem Herzen?

 

II

Ich denke, das Erste, was wir aus unserem Predigttext für heute mitnehmen können, ist dies hier: Jesus ist die richtige Adresse für unsere Träume.

Egal, wie verrückt oder unausgegoren sie auch sein mögen. Er ist der Richtige für unsere großen Träume, von denen wir selber fast nicht glauben, dass sie jemals wahr werden könnten, aber auch für unsere kleinen, vielleicht heimlichen, schrägen Träume und sogar für unsere zerplatzten Träume ist er es auch. 

Zu wem sollten wir gehen mit dem, wonach unser Herz sich im Innersten sehnt, wenn nicht zu ihm, zu Jesus? Zwei seiner Jünger – Jakobus und Johannes – machen es uns vor. Hören wir hinein in das Gespräch, das Jesus mit ihnen führt. Das ist unser heutiger Predigttext aus dem Markusevangelium, Kapitel 10:

Jakobus und Johannes, die Söhne von Zebedäus, gingen zu Jesus und sagten: „Lehrer, wir möchten, dass du uns eine Bitte erfüllst.“ „Was wollt ihr?“, fragte Jesus. Sie antworteten: „Wenn deine Herrschaft begonnen hat, dann gewähre uns die Ehrenplätze rechts und links neben dir!“ Jesus entgegnete: „Ihr wisst ja gar nicht, was ihr euch da wünscht! Denn auf mich wartet schweres Leid. Meint ihr, ihr könnt den bitteren Kelch trinken, so wie ich es tun muss? Oder könnt ihr die Taufe ertragen, die mir bevorsteht?“ „Ja, das können wir!“, antworteten sie. Darauf erwiderte ihnen Jesus: „Ihr werdet tatsächlich so wie ich leiden und euer Leben hingeben müssen. Aber trotzdem kann ich nicht bestimmen, wer einmal die Plätze rechts und links neben mir einnehmen wird. Das hat bereits Gott entschieden.“

Die anderen zehn Jünger hatten das Gespräch mit angehört und waren empört über Jakobus und Johannes. Da rief Jesus alle zusammen und sagte: „Ihr wisst, wie die Großen und Mächtigen dieser Welt ihre Völker unterdrücken. Wer die Macht hat, nutzt sie rücksichtslos aus. Aber so soll es bei euch nicht sein! Im Gegenteil: Wer groß sein will, der soll den anderen dienen, und wer der Erste sein will, der soll sich allen unterordnen. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich bedienen zu lassen. Er kam, um zu dienen und sein Leben als Lösegeld hinzugeben, damit viele Menschen aus der Gewalt des Bösen befreit werden.“

 

III

 

Zwei Brüder packen Jesus gegenüber ihren größten Traum aus. Und der hört sich auf den ersten Blick doch gar nicht mal so schlecht an: Nichts wünschen sie sich mehr, als im ewigen Reich Gottes für immer ganz nah an Jesu Seite zu sein. Als seine direkten Sitznachbarn an der himmlischen Tafel, so stellen sie sich ihr höchstes Glück vor. Und im ersten Moment möchte man ihnen gratulieren. Klingt das nicht nach dem frommsten Wunsch, den es überhaupt nur geben kann?

Aber Jesus reagiert sehr zurückhaltend auf diesen Wunsch. Gerade noch hat er auf dem Weg mit seinen zwölf engsten Vertrauten darüber gesprochen, dass er nicht nach Jerusalem geht, um dort bejubelt und gekrönt zu werden. Die Zeit, in der er sein ewiges Reich für alle sichtbar aufrichten wird, die ist zwar im Kommen, aber sie ist noch nicht da. Dunkleres, Unbegreiflicheres muss vorher noch geschehen. Jesus hat davon gesprochen, dass er gefangen genommen werden wird, verspottet, angespuckt, ausgepeitscht. Und am Ende wird er verurteilt werden und sterben – am Kreuz.

Diese allertiefste und dunkelste Qual, die ihm unmittelbar bevorsteht, hat er gerade eben erst mit seinen Freunden geteilt. Und trotzdem haben Jakobus und Johannes nichts Besseres zu tun, als im Kopf schon mal die Tischkärtchen hin und her zu schieben für die Sitzplätze in seinem Reich! Am liebsten möchte man diese beiden Jünger schütteln und ihnen zurufen: ‚Wo seid ihr nur mit euren Gedanken? Wo seid ihr mit euerm Herz?‘ Der Kelch, den Jesus vor sich sieht, ist nicht mit prickelndem Champagner gefüllt für die größte Siegesfeier des Universums. Es ist der Kelch des Leidens: „Mein Blut, vergossen für euch, zur Vergebung der Sünden“. Und die Taufe, die er vor sich sieht, ist nicht die Taufe, wie wir sie kennen, mit ein paar Tropfen Wasser auf der Stirn. Es ist die Taufe durchs Feuer des Zornes Gottes hindurch, den er, der einzig unschuldige Mensch auf dem ganzen Erdenrund, freiwillig für uns alle auf sich zu ziehen gewählt hat. So hatte Johannes der Täufer es angekündigt: „Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt. Darum: Jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen.“ Genau diesen Weg hat Jesus gewählt, für unsere Gottlosigkeit zu sterben, aus Liebe zu uns. Er ist bereit, das Lösegeld zu bezahlen, um uns freizukaufen aus dem Rachen des Todes: sein Leben für meins und für deins. Und wenn seine beiden Freunde Johannes und Jakobus sich gewünscht hätten, dabei ganz nah an seiner Seite zu bleiben, wie viel hätte Jesus das wohl bedeutet. Aber im Garten Gethsemane, als er die beiden Brüder zusammen mit Petrus einlädt, mit ihm zu wachen in seiner dunkelsten und schwersten Stunde, da fallen ihnen die Augen zu und sie schlafen immer wieder ein. Und als Jesus verhaftet wird, auch da haben sie nicht den Mut, an seiner Seite zu bleiben, sondern fliehen wie alle andern auch. 

Zwar stirbt Jakobus später während einer Aktion des Herodes Agrippa gegen die erste Christengemeinde in Jerusalem, kann man nachlesen in der Apostelgeschichte Kapitel 12, und es ist wahrscheinlich, dass auch sein Bruder Johannes für seine Zugehörigkeit zu Jesus am Ende leiden und sterben musste. Aber diesen beiden dafür im Voraus schon ein VIP-Ticket für die himmlische Festtafel zu versprechen, das kommt für Jesus nicht in Frage.   

„Gewähre uns die Ehrenplätze rechts und links neben dir!“ Ob sie dabei ans Triclinium gedacht haben? Wo drei hölzerne oder steinerne Liegesofas, mit Polstern belegt, wie ein offenes U um einen Tisch herum angeordnet waren, jedes mit Platz für ungefähr drei Personen? Bei dieser Sitzordnung lag die wichtigste Person, der Gastgeber, auf dem linken Sofa, dem Sofa der Gastgeberfamilie, ganz oben, zur Mitte der Festtafel hin. Der höchste Ehrenplatz war dann auf dem direkt daneben angrenzenden mittleren Sofa außen links, um mit dem Gastgeber am vertrautesten reden zu können. Diesen Platz hätte Jakobus offenbar gern für sich reserviert. Während Johannes vermutlich eher auf den Platz an Jesu rechter Seite spekuliert hat, also in der Mitte auf dem Familiensofa. Der war zwar nicht ganz so hochrangig eingestuft, weil er keine Armlehne hatte. Aber innerhalb der Gastgeberfamilie war es der nächst höchstrangige Sitz nach dem Gastgeber selbst, und wenn man sich dabei an Jesus persönlich anlehnen konnte – Was hätte es für Johannes Kostbareres gegeben?  

Aber während der Rest seiner Jünger sofort über die beiden herfällt, weil sie darin ein Vordrängeln hören auf die wichtigsten Plätze der damals praktizierten Tischordnung, verurteilt Jesus die beiden Brüder nicht. Im Gegenteil. Vielleicht freut er sich sogar, dass sie mit ihrem Traum zu ihm gekommen sind, denn so kann er ihnen und all seinen Freunden gleich mit erklären, wovon er selber träumt. Jesus träumt einen ganz anderen Traum: Er träumt von Menschen, die ihre Feierkleider beiseitelegen und sich stattdessen eine Schürze umbinden. Wie bitte?

Ja, da haben wir ganz richtig gehört. Die Zeit, um ausgelassene Feste mit Jesus zu feiern oder im Thronsaal an seiner Seite zu sitzen und mit ihm zu herrschen, diese Zeit wird kommen, aber sie ist noch nicht jetzt, nicht, solange noch eine halbe Menschheit wegen ihrer Gottvergessenheit dem Tod entgegentaumelt, und nicht, solange das Heer der Armen und Hungernden, der Kranken und Verzweifelten noch immer so unermesslich groß ist. Und jeden neuen Tag kommen weitere mit hinzu.

Jetzt braucht Jesus keine Mitfeiernden, sondern was er jetzt braucht, ist vor allem eins: Diener. Und er sagt es seinen beiden Freunden Johannes und Jakobus auf den Kopf zu: ‚Wenn ihr groß sein wollt, dann seid groß. Aber seid groß darin, anderen zu dienen.‘ Das sucht Jesus: keine Mitfeiernden, sondern Mit-Diener. Und ich glaube, genau dazu möchte er mich und dich heute auch einladen: Bist du bereit, mit mir zusammen den gemütlichen Platz an der Festtafel zu verlassen und dich nicht nur ganz unten an den Tisch zu setzen, wo die weniger geehrten Gäste sitzen, sondern, viel krasser noch, dir eine Schürze umzubinden und dich unter die Diener zu mischen?

Und was tun Diener? Einfach alles, was gebraucht wird. Sie machen sich die Hände schmutzig. Für keine Arbeit sind sie sich zu schade. Und eines zeichnet Diener ganz besonders aus: Sie fragen ihren Herrn: ‚Wo brauchst du mich heute?‘ Diener machen nicht mehr das, was sie selber für richtig halten, sondern sie lassen sich von ihrem Herrn dahin schicken, wo er sie braucht.

Und vielleicht wäre das eine Übung, die wir mitnehmen können genau für unsere momentan so schwer verdunkelte Passionszeit. Einfach nur diese eine Frage jeden Morgen unserem Herrn Jesus Christus stellen: ‚Wo brauchst du mich heute?‘ Und dann der leisen Stimme in unserem Herzen folgen. Das könnte unsere Passionszeit ganz schön auf den Kopf oder auf die Füße stellen.

Und wenn du noch unsicher bist und nicht genau weißt, was dein Dienst sein könnte, dann möchte ich dir vorschlagen: Melde dich doch hier in der Kirchengemeinde oder bei deiner Kirchengemeinde vor Ort. Früher, als ich studiert habe, da gab es solche Mitfahrzentralen, wo man sich melden konnte, wenn man wie ich an einem bestimmten Wochenende von Berlin nach Kiel fahren wollte, aber selbst kein Auto hatte. Und dann gab es andere, die sich gemeldet hatten, weil sie mit ihrem Auto eben diese Strecke fahren wollten. Und so fand man zusammen, teilte sich das Benzingeld, oft wechselte man sich auf der Strecke dann ab beim Fahren und man konnte sich unterhalten auf dem langen Weg. Das war eigentlich für alle Beteiligten eine gute Sache.

Und vielleicht sind unsere Kirchengemeinden nach Jesu Herzen etwas ganz Ähnliches, so etwas wie ‚Mitdienzentralen‘. Denn oft ist es nicht gut, wenn einer allein loszieht, um für die da zu sein, die ganz unten sind. Da kann man leicht müde werden, und auf halber Strecke kann einem die Kraft ausgehen. Aber wenn man sich zusammenfindet mit anderen, denen Gott den gleichen brennenden Wunsch aufs Herz gelegt hat, dann kann man gemeinsam so viel mehr bewirken.

Denken wir nur an die übergroße Not der Flüchtlinge aus der Ukraine: Mütter und Kinder, die mit dem wenigen, was sie in der Hand tragen können, aus zerbombten Städten fliehen … Wie viele Erinnerungen kommen da wieder  hoch … Meine Mutter an der Hand ihrer Mutter, wie sie verzweifelt versucht haben, sich noch aus Pommern in Sicherheit zu bringen, erst mit Pferd und Wagen, später zu Fuß, und am Ende wurde ihre Mutter neben ihr von einem Tiefflieger erschossen. Und sie selbst stand mit ihren 7 Jahren ganz allein da und war dringend auf Hilfe angewiesen.

Wie sollten wir jetzt, wo sich genau dasselbe vor unseren Augen hier noch einmal wiederholt, wie sollten wir da nicht unsere Ärmel hochkrempeln und unsere Herzen und Türen weit aufmachen? Und wenn dich diese Not genau so wenig loslässt wie mich, dann bitte ich dich, komm doch zu deiner Kirchengemeinde und gründe dort jetzt einen Flüchtlingshelferkreis oder schließ dich einem schon bestehenden Kreis an. Und dann kann man gemeinsam überlegen: Gibt es Räume – vielleicht im Gemeindehaus –, wo Geflüchtete unterkommen könnten? Und wer würde sich um diese Menschen verlässlich kümmern, bei Behördengängen, beim Einkaufen, beim Deutschlernen, beim Nachhilfegeben oder Begleiten zu Ärzten? Oder können wir hier einen Spielraum für ukrainische Kinder aufmachen? Wer würde uns dabei mit Übersetzen helfen?

Jesus sucht Diener. Und vielleicht wird gerade das, was du für die Geflüchteten einbringen könntest, hier oder in deiner Kirchengemeinde ganz dringend gebraucht. Also melde dich bitte.

Oder womöglich bedrückt dich auch eine andere Not. Vielleicht hat Gott dir die Sorge um die Menschen in den Senioreneinrichtungen aus Herz gelegt. Wie oft haben unsere älteren Mitmenschen dort schon sehr lange keine Besuche mehr bekommen können. Und so dringend fehlt ihnen etwas Schönes, Sinnvolles in ihrem Tageslauf, auf das sie sich ein wenig freuen können.           

Und dann fallen meine Augen auf mein Strickzeug, und mir kommt der Gedanke: Vielleicht muss ich das gar nicht alleine an irgendeinem wohligen Urlaubsort vollenden. Vielleicht finden sich noch ein oder zwei andere strickbegeisterte Menschen in unserer Gemeinde, und dann können wir einen Strickclub im Seniorenheim hier bei uns um die Ecke aufmachen. Also… wenn du mitmachen möchtest, wären wir schon zu zweit.

Oder vielleicht ist es noch eine ganz andere Not, die dich besonders berührt. Dann komm doch bitte hierher oder zu deiner Mitdienzentrale vor Ort und dann pack doch ehrlich auf den Tisch: Wofür schlägt dein Herz, und welche Gaben und Talente bringst du mit? Und dann können die Ideen nur so sprudeln wie ein frischer Strom, der alle Erschöpfung und Lähmung wegspült. 

Aber vielleicht denkst du jetzt auch: ‚Oh nein! Das ist mir alles viele Nummern zu groß.‘ Dann habe ich zum Abschluss hier noch eine kleine Idee für dich:  Kürzlich las ich in einem Buch von Susanne Niemeyer: „Wenn es jetzt klingeln würde. Aber niemand stünde vor der Tür. Auf der Fußmatte liegt ein Zettel. Du hebst ihn auf. Liest ihn. Dein Gesicht wird hell. Was steht auf dem Zettel?“

Wer mag, probiere das doch einmal selber aus: Legen wir doch heute oder morgen einem anderen Menschen so einen Zettel hin. Jetzt mitten in diesen düsteren Zeiten werden wir für einen Tag einander „Helfer zur Freude“. Schlimme Nachrichten hören wir schon mehr als genug. Also überlegen wir einmal genau umgekehrt: Womit könnten wir unseren Kindern oder unseren Eltern ein Lächeln aufs Gesicht zaubern? Oder unserem Ehepartner? Unserer Nachbarin? Unserem Arbeitskollegen? Oder unserer Schulfreundin? Und dann können wir überlegen, wo wir diesen Zettel verstecken: Halb unter einer Tastatur, in der Müslischüssel oder unter’m Scheibenwischer ... Wobei, so eine Fußmatte, nach der ich mich bücken muss ... Das hat auch seinen besonderen Reiz.

Denn die tiefste Freude deines Lebens findest du nicht, wenn du dich nur nach oben streckst, sondern, im Gegenteil, oft ist sie ganz unten, wo du sie gar nicht vermutet hast, zu finden. Denn da wartet Jesus auf dich, genau da. Amen.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

Amen

 

 

 

26.11.2021
Ulrike Jenett